Stuttgart. Eine Aussage von Wolfgang Schäuble (CDU) beim Stuttgarter Frühlingsfest hat eine Debatte im Landtag von Baden-Württemberg ausgelöst. Der Bundefinanzminister hatte sich Ende April gegenüber dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ausgesprochen. Nach der Bundestagswahl werde er dafür kämpfen, „dass wir das Arbeitszeitgesetz so ändern, dass Sie den nötigen Spielraum haben“.
Die SPD machte in der aktuellen Debatte am Mittwoch im Landtag deutlich, dass dies nicht zulasten der Arbeitnehmer geschehen darf. Ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher, Daniel Born, bat die Abgeordneten der anderen Parteien, „auch an die Kellnerin zu denken“, wenn sie ein Bier bestellen. Oft seien die Bedienungen angesichts der langen Arbeitszeiten „an der Grenze dessen, was man noch leisten kann“.
Born zufolge ermöglicht bereits das derzeit geltende Recht in Verbindung mit Tarifverträgen Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden. Der SPD sei nicht entgangen, dass sich die Arbeitswelt ändere und das Bedürfnis nach Flexibilität wachse. Flexibilität dürfe jedoch nicht Verfügbarkeit rund um die Uhr bedeuten. Ansonsten sei der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält, in Gefahr. Es müsse „ein Recht auf Feierabend, auf Pause, auf Urlaub und auf Schicht im Schacht“ geben.
Alexander Schoch (Grüne) erwiderte: „Die Arbeitswelt ist schon heute bunt und flexibel. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass sie bunt und flexibel bleibt.“ Die Gratwanderung zwischen Flexibilität und Arbeitnehmerschutz sei jedoch schwierig. Schoch verwies darauf, dass sich zu diesem Thema zahlreiche Aussagen im Koalitionsvertrag fänden. „Wir sind nah an der Praxis“, sagte der Grünen-Arbeitsexperte.
Für Fabian Gramling (CDU) können die Veränderungen einen erschrecken, „verhindern kann man sie nicht“. Er nannte die Firma Trumpf als Beispiel dafür, dass moderne Arbeitszeitregelungen auch im Konsens möglich seien: In Ditzingen hätten sich das Management und die IG Metall auf einen Wechsel von der Wochen- zur Lebensarbeitszeit geeinigt. Das europäische Arbeitszeitrecht sei ein guter Maßstab. Es gestatte Wochenarbeitszeiten von bis zu 48 Stunden, schreibe aber auch eine tägliche Ruhezeit von elf Stunden vor.
Carola Wolle (AfD) wies darauf hin, dass die Flexibilisierung nicht nur Vorteile hat. So gehe auch das berufliche soziale Umfeld verloren, wenn die Arbeit außerhalb der Firma stattfinde. Sie schlägt vor, neue Arbeitszeitmodelle erst einmal auszuprobieren. Eben dies sieht auch ein Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor.
Dagegen ist Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Eine Testphase von zwei Jahren ergebe keinen Sinn. Für die Wirtschafts- und Arbeitsministerin ist Nahles am Zug: „Mir dauert das viel zu lang.“ Um die Ausgestaltung sollten die Tarifpartner kümmern: „Wir brauchen keine staatlichen Detailregeln.“
Erik Schweickert (FDP) verwies darauf, dass sogar der Beamtenbund für flexible Arbeitszeiten sei: „Warum wird so wenig davon gesprochen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren?“, fragte der FDP-Arbeitsexperte. Auch in der Landwirtschaft seien flexible Arbeitszeiten – zum Beispiel früh morgens und spät abends, wenn es kühl ist – sinnvoll.