Stuttgart. Grüne und CDU bekräftigten an diesem Mittwoch im Landtag erneut, dass es Ziel der Landesregierung sei, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro-5 zu vermeiden. „Wir gehen davon aus, dass die Schadstoffwerte mit unserem Paket rasch sinken werden“, sagte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Die FDP-Fraktion hatte eine aktuelle Debatte zu den vergangene Woche von der Landesregierung beschlossenen Fahrverboten für Euro-4-Dieselfahrzeuge ab dem kommenden Jahr beantragt. Die Oppositionsparteien kritisierten die Fahrverbote.
Grün-Schwarz hatte sich auf Druck der Gerichte zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und schlechter entschieden. Hier habe es keine Möglichkeiten gegeben um Fahrverbote herumzukommen, sagten die Redner der Regierungsfraktionen. Reinhart machte ebenso wie Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz deutlich, dass es keinen Automatismus für Fahrverbote für Euro-5-Diesel geben werde. Diese seien an die Messergebnisse im kommenden Jahr gekoppelt. Reinhart kündigte darüber hinaus für den Herbst eine Bundesratsinitiative zur Dieselnachrüstung an.
„Wir haben schon viel erreicht, nicht durch lautes Geschrei, sondern durch beharrliche Arbeit“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er erinnerte an das Jobticket für Landesbeschäftigte, den ÖPNV-Ausbau und die Förderprogramme für die E-Mobilität. Auch andere Länder und Regionen griffen diese Maßnahmen nun auf, so Kretschmann.
Zugleich räumte er ein, dass das Land, trotz aller Verbesserungen in den Städten und gerade auch in Stuttgart noch nicht am Ziel sei. Die Landesregierung will deshalb 430 Millionen Euro in den weiteren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, mehr Park-and-Ride-Plätze, intelligente Verkehrssteuerung sowie technische Lösungen zur Reduzierung der Luftschadstoffe investieren. Der EU-Grenzwert für Feinstaub in Stuttgart seit 13 Jahren nicht eingehalten, der für Stickstoffdioxid in Stuttgart und einer Reihe weiterer Kommunen im Land seit acht Jahren.
„Wir haben eine gute gemeinsame Lösung gefunden, auf die wir auch stolz sein können“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Und Kretschmann machte in die Adresse der Opposition deutlich, dass sich das Thema Luftreinhaltung und Fahrverbote nicht für „billige Polemik“ eigne.
AfD, SPD und FDP kritisierten die Fahrverbote. Vertreter der drei Fraktionen warfen der Landesregierung vor, die Spielräume im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht genutzt zu haben. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der CDU vor, bei den Fahrverboten vor den Grünen eingeknickt zu sein. Er forderte die Landesregierung auf, auf Softwareupdates und Verkehrsverflüssigung zu setzen. Auch warf er der Landesregierung ebenso wie sein Amtskollege von der SPD, Andreas Stoch, vor, dass die Fahrverbote nicht angemessen seien. Stoch kritisierte darüber hinaus, die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Man hätte gegen das Dieselurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in Berufung gehen sollen. Stoch begrüßte die beschlossene Tarifsenkung im öffentlichen Nahverkehr.
AfD-Fraktionsvorsitzender Bernd Gögel wandte sich generell gegen die Grenzwerte. Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür. Dem widersprach Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der auf rund 300 wissenschaftliche Studien verwies, die Grundlage für die Festsetzung der EU-Grenzwerte waren. Die EU habe sich dabei weder an einzelnen emeritierten Professoren noch an Lobbyisten orientiert. Er warf der AfD vor, dass für sie die Aussage eines einzelnen Wissenschaftlers, der sich gegen den Grenzwert ausspricht, wissenschaftlich sei, sie jedoch 300 Wissenschaftler, die sich für den Grenzwert aussprechen würden, ignoriere und als Ideologie abtäte.
Hermann sagte, er hätte sich gewünscht, dass sich die Debatte im Landtag mehr darum drehen würde, „wie wir es schaffen, dass wir saubere Luft bekommen und die Mobilität erhalten“. Auch Reinhart warf der Opposition vor, der Umfang konstruktiver Lösungsvorschläge sei „äußerst suboptimal“ gewesen. Er habe nichts gehört. Das zeige ihm, dass die Opposition nicht bereit sei die konstruktiven Vorschläge der Koalition auch nur zu kommentieren. Hermann ergänzte in Anspielung auf die Vorwürfe der Opposition, dass die Fahrverbote nicht verhältnismäßig seien: Die Debatte der Opposition „war weder verhältnismäßig, noch der Problematik angemessen“.
Ein Schlagabtausch entwickelte sich noch über das Rechtsstaatverständnis der FDP. Denn Fraktionschef Rülke ging den zuständigen Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart hart an. Das Gericht hatte entschieden, dass nur Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge geeignet seien, die Luft in Stuttgart nachhaltig zu verbessern. Rülke sprach von einem seltsamen Urteil des Verwaltungsgerichts, von „Allmachtsfantasien“ eines Richters und dass man dem Richter dort den „Auftritt seines Lebens“ verschaffe.
„Die Rechtstreue ist ein hohes Gut. Der Rechtsstaat gilt auch in Baden-Württemberg“, sagte Schwarz. Er zeige sich irritiert über Rülkes Äußerungen. Er sei froh, dass die FDP in Baden-Württemberg „nichts zu sagen hat“. Sie wäre eine Gefahr für den Rechtsstaat. Auch Reinhart machte deutlich, dass es zu einem Rechtsstaat gehöre, auch Urteile zu akzeptieren und umzusetzen, die man sich selbst anders gewünscht hätte. „Ich bin nicht bereit den Rechtsstaat zu beschneiden“, sagte Ministerpräsident Kretschmann. Er warf Rülke vor, dass er auf die Gerichtsurteile mit einer wüsten Richterbeschimpfung reagiere. Da müsse er sich schon fragen: „Ist die FDP eine Rechtsstaatpartei oder war sie eine Rechtsstaatpartei.“ Eine Rechtsstaatpartei wisse, dass man sich auch an Urteile halten müsse, die einem nicht gefallen.