Stuttgart. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat seine zurückhaltende Meinung zu den Vorteilen von Lang-Lastkraftwagen verteidigt. Längere Lkw könnten nur zu einem kleinen Teil zum Klimaschutz, zu Energiesparen und zur Reduzierung der CO2-Belastung beitragen, sagte der Minister am Mittwoch in der aktuellen Debatte des Landtags. Baden-Württemberg nehme jetzt am Feldversuch teil, öffne aber nicht das gesamte Straßennetz dafür.
„Die Freigabe des gesamten Netzes in Baden-Württemberg wäre unverantwortlich“, betonte Hermann. Detaillierte Aufschlüsse zu den Vor- und Nachteilen der „Gigaliner“ erwartet der Verkehrsminister von einem wissenschaftlichen Gutachten, in dem vor allem untersucht werden soll, wie sich die CO2-Belastung darstellt. Die Feldversuche sind auf die Autobahnen 5 zwischen Karlsruhe und Rastatt, auf der A 8 zwischen Karlsruhe und der bayerischen Grenze sowie auf der A 81 zwischen der bayerischen Grenze und Herrenberg begrenzt.
Für Hans-Martin Haller (SPD) sind die Lang-Lkw „nicht die Lösung des Güterverkehrs“. Es handele sich dabei nur um ein „Mosaiksteinchen“ in einem Riesenthema, urteilte der SPD-Verkehrsexperte. Bundesweit hätten sich bisher nur 42 Unternehmen an Feldversuchen beteiligt; für Haller ist dies ein Indiz dafür, dass es bei den Spediteuren „keine Massenbegegung“ in Richtung Lang-Lkw gibt. Die SPD wolle mehr Güter von der Straße auf die Schiene und das Wasser verlagern. Lang-Lkw seien hauptsächlich für Autobahnen geeignet, nicht für „Hidden Champs im ländlichen Raum“. Haller kritisierte die Bundesregierung, die trotz steigendem Güterverkehr nicht die alternativen Transportwege ausbaue.
Abgeordnete der Opposition hatten zuvor Hermann kritisiert. Es sei unverständlich, dass sich der Verkehrsminister und Grün-Rot vier Jahre lang einem Feldversuch in Baden-Württemberg verweigert hätten, konstatierte Jochen Haußmann (FDP). „Unverständlich“ sei dies für das Wirtschafts- und Automobilland Baden-Württemberg. Dabei würden die Spediteure seit Jahren auf die Vorteile der längeren Lkw im Blick auf Vorteile beim Klimaschutz und Verkehrsaufkommen hinweisen. Ein „Trauerspiel“ für die Unternehmen sei zudem, dass Herrmann („der Minister der 1000 Gutachten“) wieder ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben habe, obwohl positive Zwischenberichte vom Bund bereits vorlägen.
Marcel Schwehr (CDU) warf Hermann „eine Rolle rückwärts“ und einen „radikalen Sinneswandel“ vor. Im Koalitionsvertrag habe Grün-Rot die Lang-Lkw abgelehnt und Hermann habe sich bisher aus ökologischen Gründen gegen deren Zulassung gewehrt. Die CDU nehme dem Minister seine Meinungsänderung nicht ab; schließlich sei er bei diesem Thema von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zurückgepfiffen worden. „Ein echter Sinneswandel hat bei Hermann nicht stattgefunden“, befand Schwehr. Der Minister sei gegen alles, was nicht zwei Räder habe und mit Pedalen angetrieben werde.
Dagegen brach Andreas Schwarz (Grüne) eine Lanze für seinen Grünen-Parteikollegen. Zu der von der Landesregierung praktizierte Politik des Gehörtwerdens gehöre auch, neue Erkenntnisse in die Politik einfließen zu lassen. Der Verkehrsminister habe den Dialog mit der Wirtschaft gesucht. „Wenn Lang-Lkw Vorteile bringen, dann ist auch ihr Einsatz möglich“, erklärte Schwarz. Zunächst werde aber geprüft, welche Rolle die Lang-Lkw beim Klimaschutz, der Verkehrssicherheit und bei der Infrastruktur spielen können. Schwarz reklamierte jedoch auch ein Gesamtkonzept im Güterverkehr und den Ausbau der Wasserstraßen, vor allem der Neckar-Schleusen bis Plochingen.
Minister Hermann wehrte sich gegen den Vorwurf, sein Ministerium gegen die Lang-Lkw eingeschwört zu haben. „Ich musste die Verwaltung in Baden-Württemberg nicht von den Gigalinern abbringen. Die Vorbehalte und Bedenken waren schon da“, sagte Hermann. Auch bei der Wirtschaft und den Spediteuren sei es „hoch umstritten“, wie man Güter transportiere. Da der Güterverkehr auf der Straße billiger geworden sei, hält es der Verkehrsminister für „notwendig“, dass Lkw auf allen Straßen und nicht nur auf Autobahnen und einigen Bundesstraßen Straßengebühren zahlen müssen.