Stuttgart. Die Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg wird wieder verstaatlicht. Justizminister Guido Wolf (CDU) brachte am Mittwoch einen Gesetzentwurf im Landtag ein, wonach zum 1. Januar 2017 die Landesanstalt Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW) als Anstalt des öffentlichen Rechts für die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe einschließlich des Täter-Opfer-Ausgleichs zuständig wird.
Seit 2007 war die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug (LBGS) einem freien Träger übertragen, der Neustart GmbH. Der Minister begründete die Gesetzes-Initiative mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2014; dabei hatte das Gericht entschieden, dass der freie Träger bezüglich der im Wege der Dienstleistungsergebnisüberlassung tätigen Landesbeamten keine Weisungsbefugnis innehat, und die landesrechtlichen Regelungen teilweise verworfen. Um einen rechtlosen Zustand zu vermeiden und die Funktionsfähigkeit der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg zu gewährleisten, endet die Tätigkeit der Neustadt GmbH zum Jahresende.
Die Neustrukturierung basiere nicht auf einem Qualitätsmangel, sondern ausschließlich auf Veränderungen in der Rechtsprechung, erklärt Wolf. Er lobte ausdrücklich die „gute und bewährte Sozialarbeit“ der Firma, deren Vertrag mit dem Land zum Jahresende auslaufen wird. Deshalb sollen auch die bewährten Strukturen in der Landesanstalt beibehalten werden. In fachlicher Hinsicht ändert sich gegenüber dem Status quo nichts. Die Umstellung verursacht jedoch voraussichtlich einmalige Haushaltsbelastungen des Landes von etwa 2,6 Millionen Euro. Gemeinden, Gemeindeverbände und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nicht tangiert.
Auch Jürgen Filius (Grüne) lobte die Arbeit der bisherigen privaten Bewährungs- und Gerichtshilfe. Diese sei wichtig zur Wiedereingliederung von Straftätern und eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft. Er verwies auf die geringste Widerrufsquote von Bewährungsstrafen in Baden-Württemberg, was angesichts von Kosten von 100 Euro für einen Hafttag wichtig sei. Unverzichtbar seien bei dieser Arbeit die 660 ehrenamtlichen Bewährungshelfer, die sich bei Neustart engagierten. Sie sollen weiter für die neue Landesanstalt tätig bleiben. Der Grünen-Rechtsexperte wies auch auf die Planungs- und Rechtssicherheit durch die neue Struktur hin; in Form der Landesanstalt müsse die Bewährungs- und Gerichtshilfe nicht alle zehn Jahre neu ausgeschrieben werden.
Die Landesanstalt sichere die einheitliche Führung der Bewährungshilfe, sagte Marion Gentges (CDU). Diese Arbeit sei wichtig für die Resozialisierung. Man müsse Rechtsfrieden schaffen, um Rückfälle zu vermeiden. Die bisherigen hohen Standards würden beibehalten und die Neuorganisation sei auch wirtschaftlich sinnvoll. Beschäftigungstechnisch gebe es für die 450 hauptamtlichen und 600 ehrenamtlichen Bewährungshelfer keine Nachteile.
Auch die AfD begrüßte „grundsätzlich“ den Gesetzentwurf. Rainer Balzer sagte aber auch, eine Haftstrafe müsse als Abschreckung wirken und soll eine nachhaltig negative Erfahrung für die Täter sein. Strafgefangene dürften nicht als Hilfsbedürftige behandelt werden. Ein Gewalttäter schulde der Gesellschaft den Beweis, dass er sich ändern wolle. Die AfD sei auch für umfassenden Opferschutz.
Die Rückverstaatlichung bewirke, dass die Bewährungshilfe künftig wieder dahin zurückkommt, wo auch die Verantwortung für den Strafvollzug liege, konstatierte Sascha Binder (SPD). Unzufrieden sich der SPD-Abgeordnete mit unterschiedlichen Zuständigkeiten von Personal- und Betriebsrat durch die Beschäftigungsverhältnisse. Die SPD will deshalb im Ausschuss einen Änderungsantrag stellen.
FDP: "Stoppen Sie dieses Gesetz"
Die FDP-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf gänzlich ab. Es sei „ein trauriger Tag für die Bewährungshilfe“, wenn eine unbestritten erfolgreiche Hilfe für 1300 Menschen verstaatlicht werde, erklärte Nico Weinmann (FDP). Die CDU habe sich zum Erfüllungsgehilfen einer ignoranten Politik gemacht. Es gebe keinen rechtlichen und sachlichen Grund dafür, denn die Fortführung in freier Trägerschaft wäre auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts möglich gewesen. „Explizit hat das Gericht die freie Trägerschaft nicht beanstandet“, sagte Weinmann und forderte: „Stoppen Sie dieses Gesetz.“