Stuttgart. Die AfD-Fraktion stimmte am Donnerstag im Landtag gegen die Empfehlung des Europaausschusses, den Bericht über aktuelle europapolitische Themen zur Kenntnis zu nehmen. Seine Fraktion lehne den Bericht ab, denn sie wolle Entscheidungen treffen, statt nur europäische Themen zur Kenntnis zu nehmen, begründete Bernd Grimmer die Haltung. Interessante, Europa betreffende Vorlagen würden erst in den Ausschuss kommen, wenn sie anderswo bereits entschieden wurden, kritisierte Grimmer. Viele Themen würden im Landtag oder Europaausschuss überhaupt nicht diskutiert.
Europaminister Guido Wolf (CDU) und die Abgeordneten der anderen vier Fraktionen brachen hingegen eine Lanze für Europa. „Der heutige Tag könnte gut werden“, orakelte Wolf mit Blick auf die Einigung der EU mit Großbritannien bei den Brexit-Verhandlungen in Brüssel. Nun müsse abgewartet werden, ob die Vereinbarung im vierten Versuch in Großbritannien und bei den EU-Regierungschefs Zustimmung finde.
Auch nach einem möglichen Austritt bleibe Großbritannien für Baden-Württemberg ein wichtiger Partner. Wolf widersprach Aussagen von Heiner Merz (AfD), wonach Deutschland nach dem Brexit den britischen Beitrag in Höhe von 12 bis 14 Milliarden Euro allein tragen müsse. Die Gefahren für die Briten, aber auch für Europa seien nicht vorüber, konstatierte der Minister. Deshalb habe er immer noch Hoffnung, dass Großbritannien Mitglied bleibe.
Wolf ging auch auf die Konsequenzen ein, dass die neue EU-Kommission nicht wie vorgesehen am 1. November ihre Arbeit aufnehmen wird. Nachdem das EU-Parlament Kandidaten aus Ungarn, Rumänien und Frankreich abgelehnt habe, sei der 1. Dezember das Ziel der Konstitution. Dies sei wichtig für den EU-Finanzrahmen und die Planungssicherheit für die kommenden Jahre, da sonst die Anschlussfinanzierung gefährdet sei.
Wolf räumte eine schwierige europäische Entwicklung ein, deshalb seien rechtsstaatliche Fundamente zwingend notwendig. „Sonst stellen wir Europa in Frage.“ Positiv bewertete der Minister, dass nach dem von Frankreichs Präsident Emanuel Macron gekippten Spitzenkandidaten-Modell mit Ursula von der Leyen „eine angesehene Politikerin unseres Landes“ neue EU-Präsidentin ist.
„Unser Herz schlägt europäisch“, bekundete Alexander Maier (Grüne). Dennoch sorge der Abbau von Rechtsstaatlichkeit in Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien sowie der Brexit für Probleme. Die EU aber sei eine „Gemeinschaft des Rechts“. Er sprach sich auch für Sanktionen aus; so könne bei Fördermitteln angesetzt werden. Positiv bewertete Maier die Donauraum-Strategie Baden-Württembergs als „wichtige Kooperation“ mit den Staaten Ost- und Südosteuropas.
Der Europaausschuss-Vorsitzende Willi Stächele (CDU) wunderte sich zunächst über das europakritische AfD-Mitglied im Ausschuss, Stefan Räpple. Dies sei, wie wenn sich ein Veganer beim städtischen Schlachthof bewerbe, witzelte Stächele. Er richtete danach den Blick nach Toulouse und an den Oberrhein. Beim deutsch-französischen Ministerrat-Treffen sei klargeworden, dass gemeinsame Positionen in der Rüstungspolitik und bei Rüstungsexporten geschafft werden könnten.
Zur Zusammenarbeit mit der Schweiz und dem Elsass sagte Stächele, das Exportvolumen Baden-Württembergs mit den Eidgenossen sei „beachtlich“. Mit dem Elsass sei durch Brigitte Klinkert, die seit Sommer 2017 als erste Frau an der Spitze des Départements Haut-Rhin in Colmar steht, viel Positives entstanden; mehr noch als ihre Vorgänger habe sie die deutsch-französische Zusammenarbeit forciert und zum Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht.
Auch Peter Hofelich (SPD) begrüßte die Kooperation mit dem Elsass, die angesichts des hohen Handelsbedarfs mit Frankreich ausgebaut werden müsse. Baden-Württemberg sei außerdem beim Projekt „Europa der Regionen“ stark dabei. Hier könnten die Partner voneinander lernen. „Der Landtag muss mehr Interesse an Europa haben“, forderte Hofelich. Kritisch beurteilte er den zähen Neustart der EU-Kommission, so dass noch kein neuer EU-Haushaltsplan vorhanden sei. Auch für Afrika und beim Klimaschutz müsse mehr getan werden.
„Der Blick auf den Brexit darf den Fokus auf Frankreich nicht verstellen. Die Frankreich-Strategie der Landesregierung ist eine richtige Idee, im Moment aber nur Stückwerk. Zurecht beklagt die Staatsrätin Erler bürokratische Hemmnisse in der Zusammenarbeit, aber leider tut auch die eigene Verwaltung noch genug dazu“, sagte Daniel Karrais (FDP). Der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau sei das Brennglas der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Es gebe aber noch viele Hürden im Grenzverkehr. Karrais bezeichnete den Brexit als Hängepartie für Europa und die heimische Wirtschaft, bedauerte auch, dass momentan das Syrien-Problem und der Konflikt mit den USA von der EU „ausgeklammert“ werde.