Stuttgart. Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben am Mittwoch in dritter Lesung den Doppelhaushalt 2018/2019 verabschiedet. Gegen den Staatshaushaltsplan, der ein Volumen von 50 549 975 200 Euro im kommenden Jahr und 51 937 064 900 Euro im Jahr 2019 vorsieht, votierten im Landtag AfD, SPD und FDP. „Mit diesem Doppelhaushalt schreiben wir Geschichte“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). Er sei solide, nachhaltig, der Zukunft zugewandt sowie wetterfest und werde das Land voranbringen.
Der 4365 Seiten starke Rekordhaushalt, zu dem im Finanzausschuss 384 Änderungsanträge zu bearbeiten waren, übersteigt erstmals in der Landesgeschichte das Volumen von 100 Milliarden; gleichzeitig verringert die Landesregierung die Schuldenlast von 47 Milliarden Euro durch Tilgung von Kreditmarktschulden in Höhe von 500 Millionen Euro.
„Wir haben alle Ausgaben sorgfältig abgewogen und gezielt investiert“, erklärte Sitzmann. Es werde mehr Geld ausgegeben, für die Polizei, die Schulen, den Breitbandausbau, den Wohnungsbau, für künftige Beamtenpensionen, die Sanierung von Straßen und Gebäuden und die Tilgung impliziter und Kreditmarkt-Schulden. Grün-Schwarz habe es geschafft, „zum fünften Mal in Folge einen Haushalt ohne Schulden“ vorzulegen. Erstmals würden auch Kreditermächtigungen gestrichen.
Die massive Kritik der Opposition am Doppelhaushalt, er sei aufgebläht und beinhalte zu viele neue Stellen, wies die Finanzministerin zurück: Im Finanzkonzept der SPD gebe es keine solide Gegenfinanzierung, die FDP habe nur „Polemik ohne Substanz“ geboten und die AfD habe zwar „ein halbwegs schlüssiges Finanzkonzept“ vorgelegt, aber nur bei Flüchtlingen und Integration Kürzungen vorgeschlagen, was „falsch, gefährlich und rücksichtslos“ sei. Von einer Aufblähung des Personals könne keine Rede sein, denn im Stellenplan 2019 seien 730 Stellen weniger enthalten als im Stellenplan 2017. Zudem hätten die kommunalen Landesverbände der „Vereinbarung mit den Kommunen“, die von 2016 bis 2021 laufe und mit dem Haushalt als Drucksache auf Tisch lag, zugestimmt. Auch der Bund der Steuerzahler lobe die Finanzpolitik von Grün-Schwarz ausdrücklich.
Die Opposition sah dies anders. „Hier hat der Grinch gewütet. Der ist durch den Haushalt gelaufen und hat alle CDU-Einflüsse herausgetilgt“, urteilte Rainer Podeswa (AfD) in Anspielung auf das kleine, grüne Wald-Monster, das Weihnachtsgeschenke stiehlt. In den Haushalt sei „pure links-grüne Bildungsideologie“ geflossen, kritisierte er und hielt der CDU vor, keines der im Wahlprogramm aufgeführten Ziele gegen die Gemeinschaftsschule durchgesetzt zu haben. In den Schulen würden Lehrer für Mathematik, naturwissenschaftliche und technische Fächer fehlen. Wenn es so weitergehe, sei Baden-Württemberg weltweit nicht mehr durch Daimler, Porsche oder Bosch bekannt, sondern nur noch für Spätzle und Rostbraten. „Mit Genderwahn und Ethikunterricht bildet man keine Ingenieure aus“, stellte der AfD-Politiker fest. Er prophezeite auch, dass zum Ende der Legislaturperiode weniger Polizisten auf der Straße seien als zu Beginn. Es sei unverantwortlich, wieder hunderte Beamtenstellen einzurichten; Podeswa forderte deshalb einen Stellenabbauplan der Landesregierung. Primäre Aufgabe sei nicht, im Schwarzwald die Erforschung der „Wald-Mensch-Beziehung“ voranzutreiben, sondern die Schaffung moderner Infrastruktur, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Im Etat komme auch die Familienpolitik zu kurz.
Die vielen Nullen auf dem Konto des Finanzministeriums schienen den Blick für das Wesentlich zu vernebeln, urteilte Gerhard Aden (FDP). Das Geld werde mit vollen Händen ausgegeben, Grün-Schwarz mache sich einen schlanken Fuß bei den Kreditmarktschulden und dehne die Vorgaben des Rechnungshofs in Bezug auf die implizite Verschuldung nach eigenem Gusto aus. Der Haushalt sei gegen die Risiken eines möglichen Wirtschaftseinbruchs nicht abgesichert. „Das ist kein wetterfestes Haus, sondern ein windschiefes Kartenhaus, das beim ersten Windzug zusammenfällt.“ Die Regierung handele nach dem Prinzip „nach uns die Sinnflut“ und ziehe ihre Lieblingsprojekte ohne Rücksicht auf finanzielle Solidität durch. In Zeiten steigender Steuereinnahmen versorgten die Grünen ihre Klientel mit neuen Stellen, sagte er mit Blick auf den Aufwuchs in der Umweltverwaltung. Zudem erkenne er in der Regierungspolitik „immer wieder das Missionarische“.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Rainer Stickelberger (SPD), verwahrte sich gegen Kritik von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die in der zweiten Lesung bemängelt hatte, der Etat ihres Ministeriums sei sozusagen im Schweinsgalopp vom Ausschuss behandelt worden. „Das ist mitnichten so“, sagte Stickelberger. Als erfreulich bezeichnet er, dass in diesem Haushalt, entgegen der Übung vieler Jahre zuvor „nur ganz wenige Etatansätze zu den Resten gestellt“ wurden. Im Interesse der Haushaltsklarheit sei es aber „dringend erforderlich“ gewesen, dass auch die Einigung mit den Kommunen auf dem Tisch gelegen hätte. Nun müsse zu diesem Thema ein Nachtragshaushalt 2018 aufgestellt werden. Er mahnte Verlässlichkeit in den Finanzplanungen an. Außerdem sei es unklar, wann die einst vom Bund zugesagten fünf Milliarden für die Digitalisierung an Schulen und weitere Bundesmittel kämen. Stickelberger warnte davor, dass Kommunen ihre Investitionen verschöben oder unterließen, weil das Land noch nicht erklärt habe, wie es sich beteiligen wolle.
Grüne und CDU lobten hingegen den Haushalt. Thekla Walker (Grüne) nannte drei zentrale Aufgaben: den Beitrag zum Erhalt einer intakten Natur und Umwelt, den Transformationsprozess mit konsequenter Ausrichtung auf neue Mobilität und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Klimaschutz und biologische Vielfalt seien die zentralen Herausforderungen. Die Transformation der Automobilwirtschaft werde unterstützt; auch in die ÖPNV-Offensive, in E-Mobilität, in den Ausbau von Radschnellwegen und Elektrifizierung der Hochbahn werde investiert. Das Land fördere kräftig den Bau von Wohnraum, baue Kinder- und Familienzentren aus, fördere den Zukunftsplan „Jugend“ setze Maßnahmen der Enquete „Pflege“ um. Zudem fließe jeder fünfte Euro in die Bildung.
Auch CDU-Finanzexperte Tobias Wald hob die Ausgabenschwerpunkte des Etats hervor. Das seien Sicherheit, Justiz, Bildung, Wirtschaft, ländlicher Raum, Infrastruktur und Digitalisierung - alles Themen, die das Leben Menschen im Land verbessern würden. Gute politische Entscheidungen seien „keine Sache populistischer Vereinfachung“, erklärte er in Richtung AfD. Neuerdings sei auch die FDP „mit schrillen Tönen“ unterwegs und fische in „politisch teilweise verunreinigtem Gewässer“. In der Bildungspolitik hätten die „Verirrungen“ unter einem roten Kultusminister „endlich ein Ende“. An den Koalitionspartner Grüne ging die Feststellung beim Thema bezahlbarer Wohnraum. „Mit ist es wichtiger, dass ein Mensch einen Platz in einer günstigeren Wohnung bekommt, als dass er die Gewissheit hat, vor einer unbezahlbaren Wohnung Platz für zwei Abstellplätze für sein Fahrrad vorzufinden“. Der Paradigmenwechsel im Wohnungsbau müsse weitergehen.