100-Millionen-Grenze bei Erbschaftsteuer: Grüne legen sich nicht fest

16.04.2015 
Redaktion
 

Stuttgart. Am 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die derzeitigen umfangreichen Steuerprivilegien bei der Vererbung von Unternehmen beanstandet, die aktuell gültigen Verschonungsregelungen als zu pauschal bemängelt und eine Anpassung verlangt. Auf Antrag der FDP diskutierten an diesem Donnerstag die Fraktionen in der aktuellen Landtagsdebatte unter dem Titel „Was denn nun, Herr Kretschmann? Unterstützt der Ministerpräsident seinen Finanzminister bei der Erbschaftsteuerreform oder nicht?“

Für Unruhe in den die Landesregierung tragenden Fraktionen und auch in den Unternehmen und Familienbetrieben in Baden-Württemberg hatte der Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Erbschaftsteuerreform gesorgt. Erben oder Beschenkte müssen ab einer bestimmten Unternehmensgröße nachweisen, dass eine Steuerverschonung nötig ist. Bisher reichte es dazu aus, dass sie den Betrieb über einen bestimmten Zeitraum weiterführen und dabei die Arbeitsplätze erhalten.  Gemäß Schäubles Vorschlag solle nun künftig auch das Privatvermögen in die Bedürfnisprüfung mit einbezogen werden. Dafür ist die Aufdeckung des Privatvermögens der Erben notwendig. Im Zweifel würde dann auch die Hälfte dieser Geldmittel zur Tilgung der Steuern herangezogen werden. Zudem sieht Schäuble eine Bedürfnisprüfung ab 20 Millionen Euro pro Erbfall vor. Daneben bliebe nur noch betriebsnotwendiges Vermögen von der Versteuerung verschont.

„Mir geht es dabei nicht um die Jachten, großen Villen und Schmuckstücke"

 „Das Bundesverfassungsgericht sagt, der Arbeitsplatzerhalt rechtfertigt die Verschonung“, sagte Finanzminister Nils Schmid. Bei der Gesetzesänderung sei nur eine „Nachbesserung“ gemeint. Schmid wies deshalb den Vorschlag von Schäuble zurück und schlug stattdessen vor, bei der Bedürfnisprüfung am Unternehmenswert anzusetzen und die Grenze bei 100 Millionen Euro festzulegen. Zudem solle der Wert als Freibetrag beschlossen werden, da dadurch nur die oberhalb des Grenzwerts liegende Summe versteuert werden müsse und nicht die komplett ererbte. „Mir geht es dabei nicht um die Jachten, großen Villen und Schmuckstücke. Es geht mir nur um das Betriebsvermögen.“ Das gelte es zu schützen, um die Arbeitsplätze zu erhalten. „Wir möchten, dass möglichst viele Menschen einen Job und eine angemessene Bezahlung haben. Dafür sorgen die Familienunternehmen und die Beschäftigten, weil sie nicht in Quartalen sondern in Generationen denken.“ Schäubles Vorschlag sei ein „Anschlag auf die Wirtschaft Baden-Württembergs“. Die Regierung müsse deshalb darum kämpfen, den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu sichern und die Arbeitsplätze zu erhalten.

Grundsätzlich sieht Hans-Ulrich Rülke (FDP) das Konzept von Finanzminister Nils Schmid (SPD) als „produktiven Beitrag“ an. Er fragte sich aber, wo sich nun Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) positioniere und ob er hinter dem Vorschlag des Finanzministers stehe. Auf der Regierungspressekonferenz vom 24. März habe Kretschmann gesagt, er könne nicht ins Detail gehen. „Einerseits sehen Sie sich als Wirtschaftsversteher, andererseits wollen sie ihren grünen Fundamentalisten in Berlin nicht in den Rücken fallen. Oder wollen sie sagen, der Ministerpräsident hat gar keine Position?“, kritisierte Rülke.

Auch Winfried Mack (CDU) sorgt sich um die Arbeitsplätze und um die Zukunft des Mittelstands in Baden-Württemberg. Er möchte das „kulturelle Erbe“ bewahren und verhindern, dass die Unternehmen „durch ungerechtfertigte Substanzen gefährdet werden.“ Er schlug dem Ministerpräsidenten deshalb vor, auf die Regelung zu Zeiten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zurückzugreifen: Familienunternehmen werden von der Steuer befreit, wenn sie von den Erben mindestens zehn Jahre fortgeführt werden.

„Boulevardisierung der FDP“

Muhterem Aras (Grüne) sprach in Bezug auf die Rede von Hans-Ulrich Rülke von einer „Boulevardisierung der FDP“. „Sie sollten sich lieber ernsthaft mit der Materie und den wesentlichen Fragestellungen auseinandersetzen und nicht nur Getöse machen“, sagte Aras. Es müsse geklärt werden, ob ein Freibetrag oder eine Freigrenze sinnvoller sei. Zudem wo die Grenze genau angesetzt werden müsse, bei 20 Millionen oder bei 100 Millionen Euro. Auch die Kriterien der Bedürfnisplanung müssten festgelegt werden. „Es geht darum eine Lösung zu finden, um die Wirtschaft und das Grundgesetz in Einklang zu bringen.“

Im Gegensatz zu Hans-Ulrich Rülke von der FDP war für Klaus Maier (SPD) die Positionierung der Landesregierung hinsichtlich der Änderung des Erbschaftsteuergesetzes eindeutig. In seinem Antrag vom 26. Februar 2015 bat Maier um eine Stellungnahme. „Die Landesregierung sagt, sie wolle einige Punkte nachbessern. Ein Paradigmenwechsel werde hingegen nicht angestrebt“, lautete die Antwort. In Bezug auf die Bedürfnisprüfung halte die Regierung eine auf die Unternehmen bezogene Grenze von 100 Millionen  Euro für geeignet. „Das halten wir ebenfalls für eine klare, mittelstandsfreundliche Regelung“, erklärte Maier. Probleme hätte er hingegen mit dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Schäuble. „Die Unternehmensbewertung ist zu kompliziert. Zudem verfehlt das Konzept den Schutzzweck und schafft Ungerechtigkeit.“ Es liege nun an Schäuble, die guten Vorschläge des Landes ins Gesetz zu schreiben.


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