Stuttgart. 100 zusätzliche Klassen an beruflichen Gymnasien ist ein richtiger Schritt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Darin waren sich die Fraktionen im Landtag in Stuttgart heute einig. Ausrechend seien sie aber nicht, betonte Siegfried Lehmann (Grüne). Seine Partei fordert bereits vor dem Schulabschluss die berufsvorbereitenden Maßnahmen zu verstärken.
48 Prozent der Schüler mit einem Hauptschulabschluss gingen zunächst in ein Übergangssystem wie dem Berufsvorbereitenden Jahr (BVJ) oder dem Berufeinstiegsjahr (BEJ). Lediglich bei einem Drittel mündeten diese Maßnahmen dann auch in eine duale Berufsausbildung. Hinzu komme, so Ausbildungsexperte Lehmann, dass ein Viertel aller Schüler weiterhin lediglich auf Grundschulniveau Lesen, Schreiben oder Rechnen könne. „Wir brauchen Reformen die dieses Problem angehen“, sagte Lehmann.
Die FDP-Abgeordnete Birgit Arnold hielt dem entgegen, dass dieses Problem gerade im Bereich der frühkindlichen Bildung bereits angegangen werde. Die Einschulungsuntersuchung sei vorgezogen und die Sprachförderung ausgebaut worden. Bei letzterem gebe es noch mehr Handlungsbedarf, räumte die FDP-Politikerin ein. Nur aus „ausbildungsreifen jungen Menschen“ könnten am Ende auch gute Fachkräfte werden.
Und die könnten bereits in fünf Jahren Mangelware sein. Laut Heiderose Berroth (FDP) werden dann 280 000 Arbeitskräfte fehlen. Die Hälfte davon seien Fachkräfte aus dem dualen Ausbildungssystem.
Kultusministerin Marion Schick (CDU) betonte, dass die Landesregierung mehrere Strategien angestoßen habe, um dem Problem entgegenzuwirken. Besonders wichtig sei ihr etwa, die allgemeine und berufliche Bildung als gleichwertig zu betrachten. Bereits jetzt kämen 40 Prozent der Abiturienten von beruflichen Gymnasien. Fachkräftemangel könne außerdem nur in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft behoben werden. Rund 75 Prozent der Schulen würden bereits mit einem Wirtschaftspartner zusammenarbeiten. Schick forderte ein klares Bekenntnis zu einem höheren Qualifikationsniveau: „Die Einführung der Werkrealschule ist ein klares Signal, dass die anzustrebende Qualifikation für jüngere Menschen die mittlere Reife ist.“ Auf die Übergangssysteme wie BVJ und BEJ will die Ministerin nicht verzichten.
Die SPD-Fraktion kritisierte, dass – trotz der Durchlässigkeit des Bildungssystems – der Bildungserfolg weiterhin stark von der Herkunft eines Schülers abhänge. Hierfür müsse eine Lösung gefunden werden. Zusätzliche Maßnahmen zur Berufsortierung würden dabei aber keine Abhilfe schaffen. Die Opposition forderte erneut einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einem beruflichen Gymnasium.