Stuttgart. Die Fraktion der Grünen hat am Mittwoch die Erteilung der letzten Abbaugenehmigung für das Atomkraftwerk in Obrigheim zum Anlass für eine aktuelle Debatte im Landtag genommen. Unter der Überschrift „Baden-Württemberg steigt aus“ begrüßte die Abgeordnete Bettina Lisbach aus Karlsruhe, dass „jetzt der komplette Abbau von Anlagenteilen und auch der Kontrollsysteme möglich wird“. Auch deshalb, weil 2017 die abgebrannten Brennelemente von Obrigheim nach Neckarwestheim transportiert worden seien, „sodass zukünftig kein Zwischenlager mehr erforderlich ist“. Grundsätzlich sei ein „weiterer Meilenstein für den Atomausstieg im Land erreicht“.
Das sieht der Regierungspartner CDU ähnlich, auch wenn Paul Nemeth für seine Fraktion andere Schwerpunkte setzte. „Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben“, sagte der Böblinger Abgeordnete mit Blick auf den Ausstiegsbeschluss im Jahr 2011. Und er schlug den Bogen zur Energiewende, die „eine Operation am offenen Herzen unserer Industriegesellschaft“ sei. Die Union wolle, dass die Energiewende gelinge, „aber es gilt nicht nur auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu schauen, sondern wir müssen natürlich die Versorgungssicherheit und die Kosten im Auge behalten“. Dafür würden „bessere Speicher und bessere Netze gebraucht“. Das sei „noch ein ungelöstes Problem, aber wir haben das Ziel aus der Kernenergie und aus der Kohle, und das sind 60 Prozent unserer Energieversorgung, auszusteigen“.
Für die AfD widersprach Klaus-Günther Voigtmann vehement. So müsse festgehalten werden, „dass wir jetzt mit Obrigheim, Neckarwestheim I und Philippsburg I die ersten drei Kernkraftwerke stillgelegt und in der Phase der Demontage haben, während wir noch die Kernkraftwerke Philippsburg II und Neckarwestheim II bis Ende 2019 beziehungsweise Ende 2022 betreiben können“. Ab 2022 fehlten in Deutschland in problematischen Zeiten mindestens aber acht Gigawatt Strom, und die Frage werde sein: „Liefern dann zwangsläufig unsere bekämpften, um Deutschland herum stehenden Atomkraftwerke den Strom, oder wie wollen wir unsere Industrie mit entsprechenden Strom versorgen?“ Die AfD sei der Meinung, „dass das Konzept nicht zu Ende gedacht ist und dringend einer Revision bedarf“.
Auch Andreas Glück (FDP) meldete Bedenken an - allerdings vor allem, weil sich die Grünen "in altem Schwarz-Weiß-Denken" noch einmal wegen der Kernenergie feierten, statt die Themen und vor allem „eine Energiewende der Stärken“ gemeinsam anzugehen. Dazu gehört für Glück auch die Problematisierung der Windenergie, weil Baden-Württemberg „nun mal das Land mit der geringsten Windhäufigkeit im gesamten Bundesgebiet ist“.
Gernot Gruber (SPD) blickte auf eine besonders lange Zeitspanne zurück. Seine Partei habe, besonders „hier in Baden-Württemberg mit ihrem Landesvorsitzenden Erhard Eppler an der Spitze, bereits Ende der Siebzigerjahre Beschlüsse zum Ausstieg aus der Atomenergie gefasst“. Und einen kleinen Seitenhieb gönnte sich Gruber ebenfalls: „Also noch vor dem Einzug der Grünen in den Landtag".
Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) erinnerte ebenfalls an frühere Zeiten. Gerade Obrigheim habe im Landtag eine „sehr intensive Rolle“ gespielt, als es über zwei Jahre lang, von 1992 bis 1994, einen Untersuchungsausschuss geben habe. Und weiter: „Ich war als Mitarbeiter meiner Fraktion in diesem Untersuchungsausschuss tätig, und es gab einen Abschlussbericht, der über 1200 Seiten umfasste.“ Vor allem sei es um die Frage gegangen, „ob die Anlage so errichtet worden war, wie sie seinerzeit genehmigt wurde“. Bis heute sei dies nie richtig geklärt worden, und es werde wohl auch nicht mehr geklärt.
Denn die vierte und letzte Abbaugenehmigung ermögliche es der EnBW, den Abbau der restlichen noch verbliebenen Systeme zu bewerkstelligen. Der grünen Wiese am Standort eines ehemaligen Atomkraftwerks „sind wir damit einen durchaus großen Schritt nähergekommen geworden“.