Stuttgart. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) hat die Bundesregierung aufgefordert, zeitnah einen Entwurf zur Grundsteuerreform vorzulegen. „Der Ball liegt im Spielfeld der Bundesregierung“, sagte sie am Mittwoch in der von der AfD-Fraktion beantragten Debatte zum Thema „Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer – Künftige Änderung der Grundsteuerfestsetzung in Baden-Württemberg“. Zum Stand des Verfahrens erklärte Sitzmann, es sei unklar, ob ein Entwurf der Bundesregierung bereits in der Ressortabstimmung sei. Erst wenn der Bund einen Gesetzentwurf vorliege, werde die grün-schwarze Landesregierung „weiter reagieren“. Die Finanzministerin sagte, es bestehe die Gefahr, dass es die Grundsteuer vom 1. Januar 2020 „nicht mehr gibt, wenn die Bundesregierung kein Gesetz vorlege“.
Grundsätzlich sprach sich Sitzmann dafür aus, dass die Belastung der Grundstücksbesitzer durch die Grundsteuer-Reform nicht steige. Außerdem müsse die Steuermesszahl von derzeit 3,5 Promille auf 0,3 Promille nach unten korrigiert werden. An die Kommunen appellierte die Ministerin, künftig mit dem Hebesatz „sorgfältig umzugehen“. Positiv bewerte sie, dass sich der Landtag zum Großteil darüber einig sei, dass die Grundsteuer-Reform aufkommensneutral und nachvollziehbar erfolgen soll. Auch die Einführung einer Grundsteuer C für unbebaute baureife Grundstücke sei möglich. Sitzmann erinnerte auch daran, dass sich der Bundesrat bereits im November 2016 mit 14 zu 2 Stimmen auf ein Modell verständigt habe. 5,5 Millionen Grundstücke in Baden-Württemberg müssen im Rahmen der Reform neu bewertet werden.
Emil Sänze (AfD) sagte, die Vielfältigkeit der Vorschläge sei „nahezu endlos“, und warnte, die Reform könne zu enormen Kosten für die Bürger und in manchen Städten sogar zu „unbezahlbaren Grundsteuern“ führen. Seine Fraktion plädiere deshalb für, die Grundsteuer im Rahmen der Subsidiarität die Grundsteuer den Ländern zu überlassen. Die „Grundsteuer-Experimente“ von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seien nicht produktiv und untragbar, kritisierte Sänze. Er sieht vor allem für viele Rentner „extreme Belastungen“ durch die neue Grundsteuer. Mögliche Ausfälle für Kommunen, die derzeit 1,8 Milliarden Euro im Südwesten an Grundsteuern einnehmen, könnten im Rahmen des Doppelhaushalts aus einer anderen Quelle kompensiert werden.
In der Debatte wurden die Gegensätze zwischen den Koalitionspartnern Grüne und CDU deutlich. Während sich Thekla Walker (Grüne) für eine bundeseinheitliche Regelung und damit „gegen einen Flickenteppich“ aussprach, plädierte Tobias Wald (CDU) für eine Föderalismus-Lösung, mit der die Besonderheiten der Länder „am besten berücksichtigt“ werden könnten. „Einen Fleckenteppich sehen wir nicht“, sagte Wald.
Für Walker muss die Reform aufkommensneutral ausfallen, wenig bürokratisch sein, Kommunen dürften nicht weniger einnehmen und die Bürger nicht mehr belastet werden. Die Grünen wollten eine faire und gerechte Grundsteuer. 35 Millionen Grundstücke bundesweit müssten neu bewertet werden, um, wie das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, die Ungerechtigkeiten durch die bisherigen Einheitswerte von 1964 im Westen und 1935 im Osten als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer zu beseitigen.
Wald sagte, Eigentümer und Mieter dürfte nicht über Gebühr belastet werden. Den Vorschlag von Bundesfinanzminister Scholz bezeichnete er als „Bürokratiemonster“. Die Kommunen bräuchten Rechtssicherheit, ihr Hebesatz-Recht müsste bleiben. Außerdem dürfe die Reform zu keinen neuen Belastungen für den Wohnungsbau führen. Wald korrigierte auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): „Eine Länderöffnungsklausel braucht keine Grundgesetz-Änderung“. Dies hatte Kretschmann behauptet.
Rainer Stickelberger (SPD) griff die „zwei sich widersprechenden Positionen“ genüsslich auf. „Tolle Leistung!“, sagte der frühere Justizminister. Auch der CDU-Parteitag sei gegen den Grünen-Vorschlag. „Wir wissen bis heute nicht die Position der Landesregierung“, kritisierte er. Deshalb werde Baden-Württemberg in Berlin nicht ernst genommen. Die SPD wolle ein rasches Ergebnis, denn die Kommunen bräuchten Planungssicherheit. Aus Stickelbergers Sicht trägt die Scholz-Lösung „allen Rechnung“; sie sei gerecht, kommunalfreundlich und aufkommensneutral.
Stephen Brauer (FDP) bezeichnete die Vorschläge des Bundesfinanzministers als „abenteuerlich“. Einer solch bürokratischen Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zulasten der Länder könne die Landesregierung eigentlich nicht zustimmen. Trotzdem widerspreche die Finanzministerin nicht, sondern nur der Idee ihres Koalitionspartners, eine Länderöffnungsklausel einzuführen. Man muss sich fragen, was denn die Landesregierung bei der Grundsteuer vertritt, falls eine Länderöffnungsklausel tatsächlich Gesetz wird. Die FDP spreche sich klar für ein flächenbezogenes Modell aus, welches deutlich weniger Bürokratie benötige und auch nicht ständig eine Steuererklärung der Grundstückseigentümer erfordere. Es dürfe auch zu keiner Mehrbelastung der Mieter und Eigentümer kommen.