Haushalt ohne „Schnörkel und Ornamente“

13.11.2019 
Von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
 
Redaktion
 

Stuttgart. Viele Stunden nahmen sich die Vorsitzenden der fünf Landtagsfraktionen am Mittwoch im Plenum Zeit, um den Doppelhaushalt 2020/2021 in einer ersten großen Runde und grundsätzlich zu debattieren. Einigkeit besteht darüber, dass „kein Etat das Parlament so verlässt, wie er eingebracht wurde“, wie Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz erklärte.

Zugleich setzten alle Redner unterschiedliche Prioritäten und die Opposition kritisierte - naturgemäß - die Koalition. Für die Sozialdemokraten mahnte Andreas Stoch Investitionen an: „Wir können doch nicht nur der Konjunktur zuschauen wie der Frosch dem Wetter.“ Hans-Ulrich Rülke (FDP) zitierte dagegen eine alte Bauernregel: „Wer ausgibt und nicht Rechnung führt, der wird bald arm ohne dass er es spürt.“ Und er warf dem „grün-schwarzen Zweckbündnisses“ fehlenden Mut vor. So werde Stillstand fortgeschrieben, der auch künftige Regierungen binde. Für die AfD nannte Bernd Gögel als „Positivstes am zweiten Doppelhaushalt der Landesregierung“ die Tatsache, dass es der letzte von Grün-Schwarz sein werde.   

„Ein Haushalt der Verantwortung heißt: klare Linien, Verzicht auf Schnörkel und Ornamente, auf Nice-to-have und auf Geschenke“, starte Schwarz grundsätzlich in seine Haushaltsrede. Es gehe um „die Konzentration auf das, was unser Land voranbringt“. Der Grüne erinnerte an die Mehranforderungen aus den Häusern, die sich insgesamt auf 4,8 Milliarden Euro summierten.  Oberste Priorität müsse aber die Verantwortung für das Ganze haben: „Aus der Einzelsicht mag ja jede Forderung gut begründet sein, aber es gibt keine Gelddruckmaschine im Land.“

Inhaltlich hob der Grünen-Fraktionschef an oberster Stelle den Klimaschutz, die Innovationkraft und die Bildungsausgaben hervor. Auf die aktuelle Diskussion über das Klimapaket der Bundesregierung eingehend, bedauerte er, „wie kleinmütig“ sich die Große Koalition bei der CO2-Bepreisung verhalte. In seiner jetzigen Form sei das Klimapaket im Bundesrat nicht zustimmungsfähig. Schwarz setzte etliche eigene Vorschläge dagegen und plädierte unter anderem für eine Solarbaupflicht bei Neubauten, die sich auch finanziell in kurzer Zeit lohnen würde.

CDU: Land geht mit „Neugier, Zuversicht und breiter Brust in die kommende Dekade“

Wolfgang Reinhart (CDU) nannte die Baden-Württemberger „Experten für gelingenden Wandel“, deshalb könne das Land auch mit „Neugier, Zuversicht und breiter Brust in die kommende Dekade“ gehen. Der Haushalt sei die Road-Map für das kommende Jahrzehnt. Die Landesregierung habe von 2017 bis 2019 mehr als 6,3 Milliarden Euro explizite und implizite Schulden des Landes getilgt und erstmals seit 50 Jahren Altschulden zurückgezahlt. 

Besonderes Augenmerk legte Reinhart auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Dem Markenkern seiner Partei entsprechend befasste er sich zudem ausführlich mit der inneren Sicherheit. Seit 2016 zeige in der Kriminalstatistik die Kurve wieder klar nach unten. Die Kriminalitätsbelastung der Menschen im Land ist die niedrigste der vergangenen 30 Jahre. „Aber darauf ruhen wir uns nicht aus“, so Reinhart, „sondern wir setzen die größte Sicherheitsoffensive in der Geschichte des Landes auch mit diesem Doppelhaushalt entschlossen fort.“ Die „flächendeckende Strukturstärke“ in Baden-Württemberg nannte Reinhart „den großen Schatz unseres Landes“. Für die CDU sei ländlicher Raum „nicht abgehängte Provinz, sondern Motor und Kraftzentrum“

Umwelt und Klimaschutz seien „brandheiße Themen“, erklärte Andreas Stoch (SPD). Das hätten auch die Grünen erkannt, aus dieser Einsicht sei aber noch nicht Handeln geworden. Um die notwendige Mobilitätswende voranzubringen, müsse es „Angebote statt Verbote" geben. Seine Fraktion fordert ein 365-Euro-Ticket für Schüler, Studenten, Auszubildende und Rentner, das im ganzen Land und in allen Verkehrsverbünden gültig sein soll.

FDP warnt vor "Konsumption statt Investition“

Rülke sprach von "Konsumption statt Investition“, insbesondere im Stellenbereich. So seien seit 2017 fast 7600 neue Stellen im Haushalt aufgeführt; in den Landesbetrieben seit 2017 fast 3400. „Neben sinnvollen Stellen im Bereich Lehrer und Polizei auch 730 bei den Landesbetrieben, darunter 150 in den Forstverwaltungen“, so Rülke, „auch wieder einmal zehn Stellen für das grüne Prestigeprojekt Nationalpark Schwarzwald, der es mit der Kostenexplosion beim Besucherzentrum ins Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler geschafft hatte.“ Durch solche Maßnahmen erkläre sich wieder einmal der größte Steigerungsposten im Landeshaushalt, nämlich die Personalkosten. Hier sei 2020 ein Plus von 1,3 Milliarden vorgesehen, 2021 sogar ein Plus von 2,1 Milliarden.

Im Grundsatz einig sind sich die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, CDU, SPD und FDP beim Thema schnelles Internet. „Das Innovationsland zu bleiben, fängt bei den Rahmenbedingungen an. Ich nenne hier den Breitbandausbau – ohne diese wichtige Infrastruktur geht es nicht" sagte Reinhart. Auch die Steuermehreinnahmen und die Millionen aus dem Daimler-Bußgeld würden großteils in die Innovationskraft des Landes investiert, kündigte Reinhart an. Für die künstliche Intelligenz seien im Etat der Wirtschaftsministerin weitere zusätzliche 16 Millionen Euro vorgesehen. Der CDU-Fraktion sei es besonders wichtig, "den Technologie- und Innovationstreiber Künstliche Intelligenz für unsere mittelständischen Unternehmen zu erschließen". Außerdem seien im Wirtschaftsressort erhebliche zusätzliche Mittel einzustellen für Handel, Handwerk und High-Tech, "denn in diesen Bereichen weht der Wind des Wandels besonders stark“.  

Die Funklöcher würden nicht weniger, monierte dagegen Rülke und er verlangt abermals ein eigenständiges Digitalisierungsministerium. Stoch wiederum forderte „mehr Ehrlichkeit“ bei der Breitband-Versorgung: Hier wolle „der Markt" nicht das Nötige leisten, sondern "sich immer nur Rosinen herauspicken". Deshalb sei auch der Staat gefordert, das Land lasse aber gerade die Kommunen allein.  

Bildungspolitik im Zentrum der Haushaltsdebatte

Einen Schwerpunkt der Debatte bildete die Bildungspolitik. Hier gebe es das größte Plus, sagte Schwarz und nahm Städte und Gemeinden in die Pflicht: „Uns ist wichtig, dass auch bei den kommunalen Betreuungsangeboten eine gute pädagogische Qualität gewährleistet wird, deshalb muss hier pädagogisch geschultes Personal auch am Nachmittag eingesetzt werden.“  Reinhart zitierte Benjamin Franklin mit dessen These, Investitionen in Bildung zahlten die besten Zinsen: „Jeder vierte Euro, den das Land überhaupt ausgibt, kommt aus dem Etat der Kultusministerin.“

Der FDP-Fraktionschef kritisierte dagegen die aus seiner Sicht „falsche Schulpolitik“ scharf. Die Landesregierung setze „weiter auf Einheitsschule und nicht auf Vielfalt“.  So sei im Zeitraum von 2019 bis 2021 ein Minus von 1810,5 Stellen im Bereich Grund- Haupt-Werkrealschule zu verzeichnen, dafür ein Plus von 2031 Stellen im Bereich der Gemeinschaftsschulen.

Stoch warb erneut für gebührenfreien Kitas, denn damit würde das Land junge Familien spürbar entlasten in einer Lebensphase, in der sie oft über bedeutende Anschaffungen wie den Kauf von Wohneigentum entscheiden müssten. Zur Finanzierung verwies er auf die fünf Milliarden Euro Rücklagen, die gebildet worden seien, und die immer noch hohen Steuereinnahmen. Zudem bekräftigte er die Forderung nach der Auflage eines Weiterbildungsfonds: Digitalisierung und neue Mobilität würden bisherige Arbeitsplätze vernichten, aber neue schaffen. Dabei dürften Umschulungen und Weiterbildungen nicht nur freiwillige Leistungen mancher Großkonzerne bleiben, „sondern müssen auch für die Beschäftigten kleiner Betriebe Routine werden“.  

AfD: Reden von Grün-Schwarz erinnern an Fünf-Jahrespläne

Bernd Gögel (AfD) kritisierte die Reden von Schwarz und Reinhart, die ihn an den Vortrag von Fünf-Jahresplänen erinnert hätten, „ohne Visionen, Heimatliebe und Feuer, dafür Öko-Ideologie im Überfluss“. Der Doppeletat sei ein „Ländle-Zerstörungshaushalt“, so Gögel, weil der Verbrennungsmotor, „der Motor aus Baden-Württemberg“, aus den Innenstädten verbannt werde: „Ich kann nicht in Worte fassen, wie katastrophal das für Baden-Württemberg ist“, denn Hunderttausende Automobil-Arbeitsplätze würden gefährdet. Durch "selbst bestellte und selbst bezahlte" Wissenschaftler sei zudem „der menschengemachte Klimawandel zur Religion gemacht worden“. Gögel kritisierte den „Club of Rome“ scharf und warf den Grünen vor, ihr Kernklientel mache sich „das Land zum Untertan“.

Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) nannte den Doppelhaushalt in ihrer Replik vor allem auf die Kritik der Opposition „wetterfest“. Gern gehe sie auf einige Punkte ein, so Sitzmann in der ersten Debatte ihre Etats für die Jahre 2020/2021, und „um das deutlich zu sagen: Wir sind ja noch nicht fertig“. Eingebracht sei der Entwurf der Regierung, „jetzt beginnen die Beratungen im Parlament, und wir werden viele Stunden miteinander verbringen“.

Konkret griff die Grüne den Vorwurf von SPD-Fraktionschef Andreas Stoch auf, das Land bilde zu hohe Rücklagen, statt zu investieren. Die genannte Summe von fünf Milliarden Euro könne sie nicht nachvollziehen. „Wir hatten eine Rücklage für Haushaltsrisiken mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euro“, rechnete Sitzmann vor. Mittlerweile sind 8,9 Millionen Euro davon noch nicht ausgegeben oder gebunden. Vielleicht habe Stoch die 2,2 Milliarden Euro gemeint, die wir im Rahmen des Abbaus der impliziten Verschuldung für den Sanierungsstau an landeseigenen Gebäuden zurückgelegt haben. Davon seien aber auch nur noch 52 Millionen Euro. Und sie kam auf die  Rücklagen für Stuttgart 21 zu sprechen, könne sich aber nicht vorstellen, dass der SPD-Fraktionschef die gemeint habe. Deshalb müsse sie sagen: „Die Rechnung, die Sie hier aufgemacht haben, ist definitiv falsch.“

Sitzmann: „Explizit haben wir 1,25 Milliarden Euro Kreditmarktschulden getilgt“

Die FDP kritisierte, aber eigentlich wie immer, so Sitzmann weiter, der Haushalt hätte so ein großes Volumen. „Das hat er“, bestätigte sie, „das war bei Ihnen auch schon so, deshalb hat diese Kritik doch gar keinen Sinn“. Die AfD wiederum habe „sogar behauptet, es seien 11000 neue Stellen vorgesehen“. Die Rechnung sei nicht nachvollziehbar, denn „es geht um 2858,5 zusätzliche Stellen, die jetzt im Haushaltsplanentwurf vorgesehen sind“. Grundsätzlich wolle sie darstellen, dass in den vergangenen Jahren die guten Zeiten genutzt worden sind, „um in vielerlei Hinsicht Vorsorge zu treffen, um in die Innovationskraft Baden-Württembergs für die Zukunft zu investieren, um Vorsorge zu treffen bei den Pensionen, damit wir die Pensionsverpflichtungen, die wir in Zukunft haben werden, gut abfedern können“. Insgesamt seien 6,3 Milliarden Euro an Verschuldung abgebaut worden, implizit und explizit. „Explizit haben wir 1,25 Milliarden Euro Kreditmarktschulden getilgt“, so die Ministerin, „und wir haben auch bei der Landesbeteiligung Baden-Württemberg 400 Millionen Euro getilgt.“

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sprang Sitzmann in der zweiten Runde der Debatte bei. Man sei „beim Zuhören immer auf die Redebeiträge vor allem der Opposition gespannt, denn man wartet dabei natürlich auf die konstruktiven Alternativvorschläge, und nun haben wir gespannt gewartet, gewartet, aber es kam nicht“.  Es sei einfach, sich hierher zu stellen, zu kritisieren und zu sagen, „in diesem Land läuft es nicht optimal, obwohl wir sehr gut dastehen, selber aber keine klare Agenda mit konstruktiven Zukunftsentwürfen hier einzubringen“. Deshalb warte er jetzt gespannt auf die Beratungen im Detail.  


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Titelbild Staatsanzeiger