STUTTGART. Mit Erleichterung hat die Mehrheit der Abgeordneten den Bericht über aktuelle europapolitische Themen der Landesregierung zur Kenntnis genommen. Als positiv bewerteten mit Ausnahme der AfD alle Redner die Einigung beim EU-Gipfel auf einen gemeinsamen Corona-Wiederaufbaufonds.
Die gemeinsame Schuldenaufnahme sei „ein wichtiger Schritt in Richtung europäische Solidarität“, sagte Josef Frey (Grüne). Dies zeige, dass die EU handlungsfähig sei.
Frey für grenzüberschreitende regionale Krisenstäbe
Entschieden kritisierte Frey Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip: „Wir dürfen nicht tatenlos hinnehmen, dass Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn die Presse- und Meinungsfreiheit und demokratische Grundwerte aushebeln“, sagte Frey. Außerdem appellierte er an die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, dass sie die Mitglieder von Orbans Fidesz-Partei aus ihrer Fraktion ausschließt, um ein Zeichen für die europäischen Werte zu setzen.
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Im Blick auf die Grenzschließungen zu Frankreich und der Schweiz wegen der Coronakrise forderte Frey, dass sich das unkoordinierte Vorgehen des Bundes nicht wiederholen dürfe. Er tritt für eine grenzüberschreitende Abstimmung der Maßnahmen ein und schlägt grenzüberschreitende regionale Krisenstäbe vor. Außerdem solle die Bundesregierung eine europaweite Corona-App auf den Weg bringen. Alexander Becker (CDU) bezeichnete die Einigung als „Ouvertüre mit Paukenschlag für die deutsche Ratspräsidentschaft“. Darin drücke sich der Glaube an eine gemeinsame Zukunft aus. „750 Milliarden als Coronafonds sind ein starkes Zeichen“, sagte Becker. Corona habe jedoch auch gezeigt, wie schnell ein Rückfall zum Prinzip „Jeder für sich“ kommen könne.
Peter Hofelich (SPD) hält es im Blick auf den Coronafonds für das ureigenste Interesse des Exportlandes Baden-Württemberg, „dass die anderen um uns herum wieder auf die Füße kommen“. Er bedauerte, dass die Haushaltsstruktur nicht verändert worden sei und dass bedauerliche Kürzungen bei Programmen vorgenommen worden seien, wie beim Fonds für einen gerechten Übergang in den Kohlerevieren. Erik Schweikert (FDP) ärgert sich „über das gebrochene Wort von Frau Merkel bezüglich der Vergemeinschaftung der Schulden“.
Den sparsamen Fünf könne man dankbar sein, dass ein ordentlicher Kompromiss herausgekommen sei, berichtete der FDP-Politiker. „Da hätten wir eine Schippe drauflegen können“, meinte er. Gewünscht hätte er sich mehr Wettbewerb als Voraussetzung für die Auszahlung von Hilfen. Auch findet er den Rechtsstaatspassus nicht überzeugend. In Bausch und Bogen verurteilte Emil Sänze(AfD) das EU-Hilfspaket. Seiner Ansicht nach ist die Geldkanone nur ein Strohfeuer und löst kein einziges Problem.
Die EU-Titanic halte Kurs auf jeden Eisberg. „Wir wollen das Ruder herumreißen“, meinte Sänze. Die Einigung in der EU hält er für Irreführung und Verachtung der Bürger.
Europaminister Guido Wolf (CDU) wollte diese Kritik nicht stillschweigend hinnehmen. „Sie wollen Europa zerstören“, hielt er der AfD vor. Den Sondergipfel bezeichnete er als historisch „mit einer besonderen emotionalen Aufladung“. Die Einigung sei kein Anlass zur Euphorie, aber ein guter Grund durchzuatmen. Baden-Württemberg profitiere von der Stärkung des Binnenmarkts.