Stuttgart. Persönlicher Kontakt, unbürokratisches Tätigwerden, Vermitteln zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Behörden sowie Dialogbereitschaft sind die Stärken der neuen Institution des Bürgerbeauftragten des Landes – so schrieb Volker Schindler, der im Februar 2017 eingeführte erste Bürgerbeauftragte von Baden-Württemberg im Vorwort seines ersten Tätigkeitsberichts. Am Donnerstag, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, dankte der Landtag dem 63 Jahre alten ehemaligen Polizeibeamten für seinen Einsatz. 324 Mal wurden er und seine drei Mitarbeiter von Bürgern kontaktiert, 49 Mal bei Themen, die die Polizei betreffen, 275 Mal in anderen Angelegenheiten.
Der Bürgerbeauftragte habe sich bezahlt gemacht, lobte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne). Seine Fraktion hatte sich für den Bürger- und Polizeibeauftragten vor zwei Jahren stark gemacht - auch, nachdem die von den Grünen favorisierte Kennzeichnung von Polizisten nicht realisiert werden konnte. Es sei schwierig gewesen, gab Sckerl rückblickend zu. Denn der damalige Koalitionspartner SPD wollte 2016 die Einrichtung nicht, CDU und FDP waren strikt dagegen. „Ihr Bericht kann sich sehen lassen“, sagte Sckerl zur Arbeit Schindlers, zumal diese ein Schritt gegen die Politik- und Behördenverdrossenheit sei. Der Bürger finde dort sofort Gehör, habe einen Anwalt, um den Behörden-Dschungel zu durchdringen. „Das schafft Vertrauen in den Staat.“ Der Grüne ist überzeugt, dass sich der Bürgerbeauftragte weiter durchsetzen werde, zumal er weder für den Petitionsausschuss noch für die Abgeordneten Konkurrenz sei. Und die Bilanz von 96 Prozent Erledigungsquote spreche für sich.
„Sie haben Ihre Funktion gefunden, obwohl Neuland betreten wurde“, stellte Thomas Blenke (CDU) fest. Der Bürgerbeauftragte mache „seine Aufgabe gut“. 2016 waren andere Töne aus der damals auf Konfrontationskurs befindlichen CDU-Fraktion gekommen; Peter Hauk sprach damals von „linker Machenschaft“.
Rüdiger Klos (AfD), dessen Fraktion zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Landtag vertreten war, wollte in seinem Debattenbeitrag „messerscharf zwischen Amt und Person des Bürgerbeauftragten“ trennen. Er mutmaßte, die Grünen hätten die Funktion nur geschaffen, weil sie ein gestörtes Verhältnis zu den Sicherheitskräften hätten und Exekutive und Judikative infrage stellten. Zur Beratung von Bürgern gebe es Fachanwälte, Beratungsstellen und weiteres mehr. „Der Haushaltsposten muss gestrichen werden“, sagte Klos. Er rechnete vor, dass bei einem Budget von 300 000 Euro jede Eingabe 1000 Euro gekostet hat. Zudem nehme seine Partei den Job des Bürgerbeauftragten wahr.
Die Themen, die an den Bürgerbeauftragten herangetragen worden sind, seien „so vielfältig wie das Leben“, konstatierte Rainer Hinderer (SPD). Die Funktion sei kein Allheilmittel, führe aber auch nicht zum bevorstehenden Weltuntergang. „Der Bericht ist klasse“, meinte Hinderer und dankte Schindler für das breite Arbeitsfeld. Dennoch würden auch beim Bürgerbeauftragten „die Bäume nicht in den Himmel wachsen“.
Nico Weinmann (FDP) würdigte zwar die empathische, idealistische Arbeit des Bürgerbeauftragten; diese Einrichtung sei aber politisch falsch. Zusätzlicher Aufwand beim Personal müsse vermieden werden. Die Stelle werde zwar nachgefragt, es gebe aber auch zahlreiche andere Möglichkeiten für Bürger. Der Liberale hält es für sinnvoller, Sensibilität in den Behörden für die Bürger zu schaffen.
Der Bürgerbeauftragte Schindler selbst räumte ein, dass „wir momentan noch pro Fall zu teuer sind“. Jedoch seien die Fallzahlen in diesem Jahr deutlich gestiegen und lägen schon jetzt auf Vorjahresniveau. Der bei ihm mögliche „spontane Kontakt“ komme positiv an, ebenso, dass der Bürgerbeauftragte eine „unabhängige Institution“ sei. Er gehe direkt auf Behörden zu, um Probleme der Bürger zu lösen, höre sich aber auch die Argumente der Behörden an. Aus Sicht von Schindler „kann es nicht genug Menschen geben“, die sich um Bürger und deren Belange kümmern. Und Rückmeldungen von zufriedenen Bürgern hätte auch ihr Gutes: "Sie spornen uns an."