Stuttgart. Überraschend erst im zweiten Wahlgang und nach einer Unterbrechung der Sitzung wurde Sabine Kurtz (CDU) zur Vizepräsidentin des Landtags gewählt. Die Leonberger Abgeordnete bekam 71 von 136 abgegeben Stimmen. Abermals votierten zahlreiche Abgeordnete aus dem Regierungslager, dem Vernehmen nach der Grüne-Fraktion, gegen sie. Der von der Alternative für Deutschland (AfD) aufgestellte Kandidat Heiner Merz bekam 23 Stimmen. Weitere Abgeordnete enthielten sind, 19 gaben ungültige Stimmzettel ab.
Der Landtag hat insgesamt 143 Abgeordnete, Grüne und CDU stellen 90. Am ersten Wahlgang hatten sich 135 Abgeordnete beteiligt und nur 59 für die 56-Jährige gestimmt – und 21 für den von der Alternative für Deutschland (AfD) aufgestellten Kandidaten Merz. Es gab 26 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen, drei ungültige und 12 Stimmen für andere Namen.
Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, stellten daraufhin fest, die Regierung habe im Parlament keine Mehrheit mehr. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion Hans-Ulrich Sckerl beantragte eine Sitzungsunterbrechung. Hinter verschlossenen Türen appellierten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Fraktionschef Andreas Schwarz an die eigenen Abgeordneten, den CDU-Vorschlag nicht weiter zu blockieren. Im zweiten Anlauf schwenkten ausreichend viele Grünen-Abgeordnete um.
Kurtz, die sich als scharfe Kritikerin von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) im Untersuchungsausschuss zur Ludwigsburger Zulagen-Affäre profilierte, will den Ausschussvorsitz neben ihrer neuen Parlamentsfunktion behalten. Bei ihrer Vorstellung in der Grünen-Fraktion hatte sie sich nach Angaben von Teilnehmern nicht eindeutig von der „Demo für alle“ distanziert, die der grün-roten Landesregierung die „Frühsexualisierung von Kindern“ vorgeworfen hatte und - unter anderem - die Ansicht vertritt, Homosexualität sei als Krankheit heilbar.
Die neue Stellvertreterin von Muhterem Aras (Grüne) hat Politologie, Germanistik und Romanistik studiert und ein Volontariat bei einer PR-Agentur absolviert. Sie war seit Ende der Achtziger-Jahre in verschieden Positionen als CDU-Beraterin im Landtag tätig, unter anderem beim damaligen Stuttgarter CDU-Abgeordnete Franz Longin, und wechselte 2002 unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) als Referentin ins Staatsministerium. Seit 2006 sitzt sie im Landtag. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhardt lobte ihre langjährige Erfahrung, ihre Vertrautheit mit dem Parlament und zeigte sich „sehr zufrieden“ mit der Entscheidung der CDU-Fraktion, Kurtz zu nominieren. Bisher stand die neue Vizepräsidentin dem Arbeitskreis Wissenschaft in der CDU-Fraktion vor und war Sprecherin für frühkindliche Bildung. Die Nachfolge ist noch ungeklärt.
Zum Auftakt der Sitzung hatte Aras ihrem bisherigen Stellvertreter Wilfried Klenk für seine Arbeit gedankt. Plenarsitzungen immer überparteilich und deeskalierend zu leiten, sei sein zentrales Anliegen gewesen. „Du hast dem Hohen Hause alle Ehre gemacht“, sagte Aras unter dem anhaltenden Applaus aller Fraktionen.