Verwaltungsvorschrift zur Öffentlichkeitsbeteiligung: Schlagabtausch im Landtag

15.07.2020 
Redaktion
 

STUTTGART. Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, hat eine positive Zwischenbilanz ihrer Arbeit gezogen. Gegenstand der Landtagsdebatte war die die umstrittene Verwaltungsvorschrift zur Öffentlichkeitsbeteiligung und der entsprechenden Planungsleitfaden.

Zugleich ließ für die CDU der Bruchsaler Abgeordnete Ulli Hockenberger durchblicken, dass die Vorgaben, sollte seine Partei auch der künftigen Landesregierung angehören, nicht verlängert werden könnten: „Die Verwaltungsvorschrift läuft am 28. Februar 2021 aus, mal sehen, was danach kommt.“

Nese Erikli (Grüne) verlangte dagegen, Beteiligungsinstrumente künftig häufiger einzusetzen. "Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft von diesen Mitteln noch viel häufiger Gebrauch machen, um nicht nur davon zu reden, unsere Demokratie besser zu schützen und Bürgerinnen und Bürger in ihrem Unmut oder ihrer Politikverdrossenheit nicht alleinzulassen.“

Staatsrätin erinnert sich an erste Zeit in ihrem Amt

In einer Großen Anfrage hatten die Grünen Informationen erbeten darüber, "wie im Bereich der Beteiligung in der Planung von Infrastrukturprojekten durch die Landesregierung mit dem Planungsleitfaden und der Verwaltungsvorschrift Öffentlichkeitsbeteiligung neue Maßstäbe gesetzt wurden". Die Staatsrätin antwortete mit „einer kleinen Rückschau“.

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Sie sei 2011 ins Amt gekommen, um mit daran zu arbeiten, dass verhindert werde, Konflikte eskalieren zu lassen, auch auf kommunaler Ebene. „Bitte erarbeite einen Leitfaden, der dann in einer Verwaltungsvorschrift mündet“, zitierte sie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Für sie sei des Pudels Kern die Frage, wie eine Politik des Gehörtwerdens funktioniere. Erler sprach die Abgeordneten direkt an: „Sie kommen doch alle aus Ihren Wahlkreisen, schauen Sie sich doch mal um, was in vielen Kommunen und an vielen Orten genau mit den Prinzipien erreicht wurde, mit einer Kultur der Beteiligung, die die Praxis der Beteiligung erst mal des Landes beim Straßenbau, Hochwasserschutz undsoweiter deutlich verändert hat.“

Erikli nannte als Beispiel das Rottweiler Gefängnis, das "vermutlich eine deutschlandweite Premiere“ gewesen sei. Auch nach dem Bürgerentscheid, bei der konkreten Planung der JVA, „sollten die Bürgerinnen und Bürger mitreden und diese Aufgabe nicht einfach den Behörden überlassen“.

Schlagabtausch mit SPD-Fraktion

Ex-Justizminister Ulrich Goll (FDP) erinnerte allerdings daran, dass damit ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss ausgehebelt worden sei: Wenn ein Gemeinderat sich derart festlege, „dann finde ich es nicht gut, wenn man dieses Paket noch einmal aufmacht“. Jetzt stehe die Anstalt immer noch nicht, „sie wäre sonst seit fünf Jahren in Betrieb, und sie kostet dreimal so viel wie geplant“. Erler konterte mit der Feststellung: "Grundprinzip der Beteiligung ist: Geh früh rein, bilde ein Gremium, in dem nicht nur die Eliten sitzen, sondern auch die Landfrauen, Eltern, auch mal Jugendliche.“ Dann könne eine Beteiligung extrem erfolgreich sein.

Zu einem Schlagabtausch kam es mit der SPD-Fraktion, für deren Sprecher Boris Weirauch der Umgang mit dem Kita-Volksbegehren gezeigt hat, wie auch die Grünen tatsächlich an Beteiligung inzwischen nicht interessiert seien: „Im Zuge der Gerichtsentscheidung zu der Gebührenfreiheit in den Kindertageseinrichtungen von vor ein paar Wochen wurde aus den Reihen der Koalitionsfraktionen die Entscheidung des Verfassungsgerichts noch als schwarzer Tag für die SPD bezeichnet.“

AfD spricht von Scheindebatte

Seine Fraktion „möchte die Entscheidung aber lieber als das bezeichnen, was sie tatsächlich ist, nämlich als schwarzen Tag für die Volksgesetzgebung und für die Familien in Baden-Württemberg“. Goll warf den Grünen vor, sich „als Anwälte der Bürgerbeteiligung zu inszenieren, das sind Sie aber schon lange nicht mehr“. Auch Hockenberger machte aus seiner Skepsis kein Hehl und verlangt „in jeden Fall ehrlich miteinander umzugehen“. Menschen dürfe nicht „die Möglichkeit einer Beteiligung suggeriert, die dann nicht eingehalten werden kann“. Emil Sänze (AfD) sprach von einer Scheindebatte und von Schmierentheater, weil grüne Politik den Menschen nur vorgaukele, sie zu beteiligen.


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