Stuttgart. "Dieses Thema taugt nicht zu Aufgeregtheiten und schon gar nicht zur Ausgrenzung“, sagte die Rastatter CDU-Landtagsabgeordnete Sylvia Felder an die Adresse der AfD-Fraktion. Die hatte eine Debatte zum „Konsulatsunterricht an Schulen in Baden-Württemberg – Infiltration anstatt Integration?“ beantragt und ihr Vorsitzender Bernd Gögel unterstellt, dass „unsere Kinder“ damit „dem Scheindemokraten Erdogan ausgeliefert werden“. Uneins sind die beiden Regierungsfraktionen allerdings, wie es mit den muttersprachlichen Angeboten weitergehen soll: Die Grünen wollen, dass das Land dafür zuständig wird.
Für Gögel ist der muttersprachliche Unterricht ein „antiquiertes Modell“. Gastarbeiterkinder sollten „in ihrer Heimatsprache beschult und für die Rückkehr in ihre Heimatländer vorbereitet werden“. Das heutige Angebot widerspreche Grundgesetz und Landesverfassung. Es gehe um „deutsche Kinder mit deutschem Pass und deutschen Eltern, und wo ihre Wurzeln liegen, spielt überhaupt keine Rolle“, erklärte Gögel weiter. Die Landesregierung lasse „diese Menschen aber unterrichten in türkischer Sprache, in türkischer Kultur und türkischer Religion, zum Beispiel im Gedenken an Atatürk“. Für die AfD sei „die Muttersprache in diesem Land Deutsch, und alles andere sind Fremdsprachen“. Wo das Gedenken an Bismarck oder der Respekt vor der deutschen Flagge, im Lehrplan stehe, lautete schließlich seine rhetorische Frage.
„Allein diese Einlassung zeigt“, konterte der Bildungsexperte der FDP-Fraktion Timm Kern, „dass Sie keine Ahnung haben oder die Menschen bewusst hinter die Fichte führen wollen.“ Er wiederholte seine Übersetzung für AfD: „Angstmacher für Deutschland. Der CDU warf Kern vor, "durch ihre Verweigerungshaltung" in der Frage der Überführung des muttersprachlichen Unterrichts, "die Chance auf einen wichtigen, überparteilichen Konsens der demokratischen Fraktionen im Landtag zu verhindern". Seine Fraktion fordere das "seit geraumer Zeit", in einem ersten Schritt müsse "der außerhalb der Schule organisierte Unterricht an unsere Schulen angebunden werden".
Stefan Fulst-Blei (SPD) befasste sich ebenfalls mit den Differenzen innerhalb der Landesregierung. Baden-Württemberg sei das Flächenland mit dem höchsten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund, nämlich 44,3 Prozent in Klasse vier. „Und damit das klar ist: Wir sehen diese Kinder nicht als eine Belastung, sondern als Teil des großen Reichtums dieses Landes“, so der Mannheimer Abgeordnete weiter, der noch einmal die Pläne seiner Fraktion vorstellte, das bestehende Konsulatsmodell schrittweise durch ein staatlich verantwortetes Angebot abzulösen. Der Einstieg in die Umstellung könne ein fünfjähriger Modellversuch sei, „im Zuge dessen herkunftssprachlicher Unterricht als Wahlfach eingerichtet werden kann“. Angestrebt sind insgesamt 90 Schulstandorte, wobei in den ersten drei Jahren jeweils 30 Schulen an den Start gehen.
Felder will keine Mittel für die Überführung in die Landesverantwortung zur Verfügung zu stellen und stellte Frage, warum Griechenland, Mazedonien oder Ungarn die Angebote nicht mitfinanzieren sollten. Verantwortung drücke sich auch in Geld aus. Unstrittig ist für Felder die Bedeutung von Mehrsprachigkeit, weil das eigene Sprachvermögen und die Fähigkeit zur kulturellen Differenzierung gefördert werden. An die Adresse der AfD erklärte sie: „Sie machen ein Nichtproblem zu einem Thema, um daraus besondere Reflexe zu bedienen.“
Für die Grünen kritisierte Daniel Lede-Abal Tonlage und Herangehensweise der AfD. Über die Bewertung Erdogans brachte er seine Verwunderung zum Ausdruck, weil „Sie doch Brüder im Geiste sind“. Auch Kultusstaatssekretär Volker Schebesta warb für eine „sachliche Debatte“ und dafür, sich an den Fakten zu orientieren. Die Zusammenarbeit zwischen Konsulaten und Schulverwaltungen sei erst 2017 erneut intensiviert worden. Positiv bewertete er, dass mit Ausnahme der AfD sich alle Fraktionen zur Fortsetzung des muttersprachlichen Unterrichts bekannt hätten. Schebesta kritisierte Gögel für die Verwendung des Begriffs Muttersprache - es bringe nichts, ihn umzudeuten. Außerdem sei es falsch, immer nur über die Türkei zu reden, denn muttersprachlicher Unterricht werde insgesamt von 14 Staaten angeboten, darunter Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Polen, Serbien oder Spanien.