Stuttgart. Allen Vorwürfen und Klage-Androhungen der Opposition zum Trotz: Die neue Landesregierung von Baden-Württemberg hat ihre erste parlamentarische Hürde überspringen. Mit den Stimmen ihrer Abgeordneten verabschiedete Grün-Rot am Mittwoch im Landtag in dritter Lesung den vierten Nachtragshaushalt 2011 mit einem Volumen von 1,43 Milliarden Euro.
Die Ausgaben des Landes steigen damit in diesem Jahr auf 36,76 Milliarden Euro; 1,4 Milliarden Euro mehr, als noch im dritten Nachtrag von der CDU/FDP-Vorgänger-Regierung veranschlagt. Von den erwarteten Steuermehreinnahmen in Höhe von gut einer Milliarde Euro wollen Grüne und SPD lediglich einen Teil zur Schuldenreduzierung nutzen; 560 Millionen Euro werden als Rücklage zur Sanierung von Straßen und öffentlichen Gebäuden verwendet, was die Opposition erneut scharf kritisierte.
Der Nachtrag verstoße gegen geltendes Recht, monierte der CDU-Haushaltsexperte Klaus Herrmann. Nachdem die Vorgängerregierung mit dem dritten Nachtrag die Nettokreditaufnahme bereits auf 810 Millionen Euro reduziert habe, hätte Grün-Rot mit Hilfe der Steuermehreinnahmen von gut einer Milliarde Euro beschließen können, ohne neue Schulden auszukommen, erklärte Herrmann. Die CDU halte eine Schuldenaufnahme nach wie vor für unzulässig und einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung (LHO).
Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht im Handeln von Grün-Rot einen Rechtsbruch. Zwar gebe es eine Reihe von Maßnahmen im Nachtrag, „die durchaus nachvollziehbar sind“; der Nachtrag verstoße jedoch eindeutig und eklatant gegen die LHO. Wort- und trickreich werde die Finanzkrise 2008 ins Spiel gebracht, um die Nettokreditaufnahme zu rechtfertigen. CDU und FDP kritisierten vor allem die neu geschaffenen Stellen in den Ministerien und warfen der Regierung Maß-, Hemmungs- und Orientierungslosigkeit vor.
Abgeordnete der Regierungsfraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Die Steuereinnahmen in diesem Jahr würden immer noch unter denen von 2008 liegen. Zudem sei Rücklage auch Eigenkapital, erklärte Muhterem Aras (Grüne). Als Sofortmaßnahme würden 55 Millionen Euro zur Sanierung von Krankenhäusern und Zentren für Psychiatrie bereit gestellt. Für 60 Millionen Euro will das Land Hochschulgebäude sanieren. Der Nachtrag sei Beginn und Einstieg in eine nachhaltige Finanzpolitik im Land.
Im Nachtragsetat seien erste Aussagen der neuen Regierung dokumentiert, wie Krankheitsvertretung im Lehrerberuf, Strukturverbesserung bei der Steuerverwaltung, Umwelt-, Energie-, Klimaschutz, aber auch Polizei und Naturschutz und vor allem Innovations- und Technologietransfer, betonte Klaus Maier (SPD). Mit den Sanierungen könnten Betriebskosten gesenkt werden und durch die Verringerung der Nettokreditaufnahme werde die Zinslast reduziert.
Nach Ansicht von Finanzminister Nils Schmid (SPD) beginnt die Regierung durch den Nachtrag mit dem Abbau der offenen und verdeckten Verschuldung. Grün-Rot gehe gegen den Werteverzehr des Landesvermögens vor. Rechtliche Bedenken sieht Schmid nicht: „Der Nachtrag ist rechtskonform und verstößt nicht gegen die Landeshaushaltsordnung.“ Solide Finanzpolitik sei ein Markenzeichen der Landesregierung.