Stuttgart. Die Fraktionen von SPD und FDP halten ihre schweren Vorwürfe gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU) aufrecht - auch nach einer Landtagsdebatte über dessen Verhalten im Zusammenhang mit dem Konzept „Sicheres Sigmaringen“. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sah „kapitale Fehler“ und kritisierte, durch die „Renommiersucht" des Ministers seien ein Ermittlungsprojekt kaputtgemacht und Ermittler gefährdet worden. Sein SPD-Kollege Andreas Stoch sprach von Strobls schwärzester Woche seit Amtsantritt. Die Selbstdarstellung sei ihm „wichtiger als polizeiliche Arbeit und der polizeiliche Erfolg“.
Strobl selbst wies sämtliche Vorwürfe als haltlos zurück und betonte mehrfach die Erfolge seines Ministeriums bei der Bekämpfung der Kriminalität. „Wer sich rechtswidrig verhält, soll wissen, dass wir zupacken und nicht nur aus leuchtenden Streifenwagen heraus.“ Er habe die Konzeption „Sicheres Sigmaringen“ persönlich mit dem dortigen Bürgermeister und Abgeordneten „zu deren Zufriedenheit“ diskutiert und inzwischen auch „sehr viel Anerkennung, Dankbarkeit und Respekt“ erfahren.
Die Bekanntgabe auch verdeckter Ermittlungen verteidigte er damit, dass die Menschen „objektiv und subjektiv ein gutes Sicherheitsempfinden“ bekommen sollten, darauf hätten sie ein Recht. Vor allem zog Strobl Parallelen zu ähnlichen Konzepten für Freiburg und Heidelberg. In ersterem kommt ausweislich der Homepage des Innenministeriums der Begriff „verdeckt“ allerdings gar nicht vor, und in der Mitte Februar für Heidelberg vorgelegten Vereinbarung heißt es allgemein: „Bei der Rauschgiftkriminalität wird das Landeskriminalamt das Polizeipräsidium Mannheim insbesondere im Bereich verdeckter Ermittlungen unterstützen.“
Rülke hielt dem Innenminister dagegen vor, wie konkret er geplante Maßnahmen in Sigmaringen bekannt gemacht habe: „Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit werden verdeckte Kräfte des Landeskriminalamts bei den Ermittlungen insbesondere im Prinzenpark tätig sein.“ Mit dieser „geschwätzigen" Ankündigung habe Strobl sowohl Polizeikonzepte durchkreuzt als auch Freund und Feind gegen sich aufgebracht, stelle Rülke fest. FDP und SPD hatten vor Beginn der Debatte umfangreiche konkrete Fragenkataloge vorgelegt, vor allem zu Ablauf und Verantwortlichkeiten. Selbst der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Hans-Ulrich Sckerl erklärte, Antworten auf offene Fragen zu erwarten. Die Debatte müsse „auf ein normales Maß zurückgeführt werden“. Es sei „Recht und Pflicht der Opposition, Fragen an den Minister zu stellen“. Er gehe aber davon aus, dass Strobl alles beantworten werde, „weil alles beantwortbar und darstellbar“ sei.
Tatsächlich blieben mehrere Widersprüche gerade in Strobls eigenen Darstellungen unaufgeklärt. Sein Innenministerium hat die Fragen jetzt schriftlich zu beantworten. Der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) sagte, Strobl habe „gebetsmühlenartig“ ganz andere Ankündigungen zitiert. „Wir erfahren nicht, was zu diesem erstaunlichen Fehler im Innenministerium geführt hat“, obwohl es doch den Eindruck gebe, es sei „einer mit der Baumsäge durch den Klavierladen gelaufen“.
Für die CDU-Fraktion sprang der Vorsitzende Wolfgang Reinhart dem Parteifreund zur Seite: Der Innenminister habe „unsere volle Solidarität und ist ein Garant für die Sicherheit in unserem Land“. Von vielen in seiner Fraktion ist bekannt, wie kritisch sie dem CDU-Landesvorsitzende gegenüberstehen, davon wurde bei dieser Debatte nichts spürbar. Vielmehr ging Reinhart seinerseits die Opposition an: „Lassen Sie die Kirche im Dorf und legen Sie das große Besteck zur Seite.“ Der AfD-Abgeordnete Lars-Patrick Berg nutzte die Gelegenheit zur Klage über einen „löchrigen Rechtstaat", der immer weniger Bürgern Schutzmantel sei. Und er forderte Strobl auf, sich von der Migrationspolitik der Bundeskanzlerin zu distanzieren.
Ein Resümee für die SPD zog ihr innenpolitischer Sprecher Sascha Binder, der wie Goll auf der Beantwortung konkreter Fragen bestand. Strobl habe „ausschweifend über Sicherheit fabuliert“, nicht aber erläutert, wer im Ministerium die Veröffentlichung des Konzepts freigegeben habe. Und auch der geschlossene Beistand der CDU-Fraktion verwundere ihn nicht, sagte Binder, denn es gebe im Innenministerium ja die Nachfolge des überraschend ausgeschiedenen Staatssekretärs Martin Jäger zu besetzen. Und da mache sich so mancher Hoffnungen.