Stuttgart. Einigkeit und Harmonie herrschte am Mittwoch unter allen Abgeordneten des Landtags bei der ersten Beratung über drei geplante Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung. Zwei der Entwürfe wurden von den Fraktionen gemeinsam erarbeitet, einer kommt von der Landesregierung.
Um die direkte Demokratie zu stärken, wollen die Fraktionen die Möglichkeit eines Volksantrags einführen. Mit diesem können 0,5 Prozent der Wahlberechtigten den Landtag verpflichten, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen. Außerdem sollen die Quoren für Volksbegehren und -abstimmungen abgesenkt werden. Nach dem neuen Gesetz soll ein Volksbegehren zustande kommen, wenn ein Zehntel der Wahlberechtigten zustimmt. Bisher lag die Grenze bei einem Sechstel. Das Zustimmungsquorum für die Volksabstimmung über einfache Gesetze soll von einem Drittel auf ein Fünftel gesenkt werden.
Fraktionen wollen Kinder und Jugendliche besser schützen
Des Weiteren wollen die Fraktionen drei neue Staatsziele in die Verfassung aufnehmen: Dies ist zum einen die Achtung von Kindern und Jugendlichen, die durch einen erweiterten Kinder- und Jugendschutz vermehrt werden soll. Das zweite Staatsziel, die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, soll vor allem durch einen Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum erreicht werden. Das dritte Ziel betrifft das Ehrenamt, welches aufgewertet werden soll.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht vor, den Staatsgerichtshof in Verfassungsgerichtshof umzubenennen. Damit soll dem erweiterten Aufgabenbereich des Gerichts Rechnung getragen werden, das seit Kurzem auch Landesverfassungsbeschwerden erheben kann.
Abgeordnete aller Fraktionen zeigen sich einig
Der CDU-Abgeordnete Volker Schebesta bedankte sich bei den Abgeordnetenkollegen aller vier Fraktionen für die harmonische Zusammenarbeit. Man habe einen „überparteilichen Konsens“ erzielt, der Voraussetzung für eine bessere Beteiligung der Bürger sei, so Schebesta. „Direkte Beteiligung kann in Einzelfragen die Akzeptanz erhöhen und die Entscheidungsfindung erleichtern“, sagte er. Außerdem lobte er die geplanten Ergänzungen bei den Staatszielen.
Auch Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) bedankte sich für die Zusammenarbeit: „Wir haben einen Weg der Mitte gefunden, den alle mitgehen können“, sagte er mit Blick auf den gemeinsamen Gesetzentwurf. Es sei höchste Zeit, die direktdemokratischen Beteiligungsstrukturen im Land zu stärken. Schließlich wolle man nicht nur im Bereich der Wirtschaft und der Bildung an der Spitze der Bundesländer stehen, sondern auch bei der Demokratie. Mit der neuen Verfassung „geben wir die rote Laterne in diesem Bereich ab und kommen ins obere Drittel der Bundesländer“, sagte Sckerl.
FDP: Einigen Punkten stimmen wir nicht so gerne zu
Froh darüber, dass man die Verfassung zwar überarbeitet, sie nicht aber habe ausufern lassen, zeigte sich der SPD-Abgeordnete Sascha Binder. „Eine Verfassung muss bleiben, was sie ist: Ein rechtlicher Rahmen, auf den sich die Bürger Baden-Württembergs verlassen können.“ Man habe die Verfassung gemeinsam gut fortentwickelt, ohne sie dabei infrage zu stellen, sagte Binder. „Wir werden allen Punkten zustimmen."
Auch seine Fraktion werde allen Punkten der Entwürfe zustimmen, sagte der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll. Allerdings täte man das bei einigen Punkten lieber als bei anderen. So stimme die FDP der Änderung der Quoren besonders gerne zu. „Damit wird genau das beschlossen, was wir immer wollten“, sagte Goll. Auf die Umbenennung des Staatsgerichtshofs hingegen hätte seine Fraktion verzichten können. Schließlich sei man, so Goll, auch schon gegen die neue Aufgabe der Landesverfassungsbeschwerde gewesen. „Um die Harmonie aber nicht zu stören, werden wir auch diesem Punkt zustimmen.“