Stuttgart. Tagesausflüge in Baden-Württemberg werden weiter eingeschränkt. In der Sondersitzung des Landtags zu den neuen Corona-Beschlüssen kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an, dass gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort Straßenkontrollen und Parkplatzsperrungen vorgenommen werden sollen.
„Solche Ausnahmen sind nicht ohne, wir tragen sie aber mit, weil es die Verantwortung verlangt“, erläuterte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart die Zustimmung seiner Fraktion. Für die Grünen forderte Fraktionschef Andreas Schwarz „alle demokratischen Kräfte“ dazu auf, diese Maßnahmen zu unterstützen. Gemeinsam könne die Pandemie bewältigt werden. „Wer halbwegs vernünftig ist“, so auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, sehe, dass die Politik auf die Pandemieentwicklung reagieren müsse. Zugleich müsse man aber auch konstatieren, dass Regelungen der Vergangenheit ins Leere gelaufen oder gar kontraproduktiv gewesen seien.
Kretschmann zufolge sind Innen- und Sozialminister beauftragt, „wirkungsgleiche regionale Maßnahmen“ zu erarbeiten, wie sie in anderen Ländern nach den jüngsten Vereinbarungen zwischen Länderchefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Hotspots mit 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche gelten. Ausgenommen ist der Bewegungsradius von 15 Kilometern. Ausdrücklich machte Kretschmann aber deutlich, die Menschen müssten wissen, „dass wir sie wieder nach Hause schicken, wenn es im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb zu voll wird, und zwar unabhängig davon, ob sie aus einem Gebiet mit hoher oder mit niedriger Inzidenz kommen“. Denn das Ziel sei die Verhinderung von Menschenansammlungen. Die örtlichen Behörden würden also angehalten, "solchen Ansammlungen und Verstößen gegen das Abstandsgebot unverzüglich entgegenzuwirken“. Leider seien "extreme Menschenansammlungen in Schneeregionen zu beobachten".
Zwei weitere Schwerpunkte der Debatte, für die sich Rülke ausdrücklich bedankte, weil es richtig und notwendig sei, den Landtag zu beteiligen, waren Bildungspolitik und Impfstrategie. Der FDP-Fraktionschef warf der Kultusministerin vor, „aus Wahlkampfgründen immer wieder Positionen zu beziehen, an die sie selber nicht glauben kann“. Diese Form des Wahlkampf laufe „auf dem Rücken der Kinder, der Eltern und der Lehrerschaft“. Der Ministerpräsident dürfe dieses Spiel nicht mitmachen. Mit der „absurden" Ankündigung einer Schulöffnung bei jeder Inzidenzlage habe die Kultusministerin „einen unnötigen Keil in die Elternschaft getrieben und viele Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger zutiefst verunsichert“. Notwendig seien, vielmehr differenzierte Modelle für Wechselunterricht an allen Schulen, denn „etwas Schule ist viel besser als gar keine Schule“. Und "etwas Schule" könne man bei der aktuellen Lage auch weit besser verantworten als eine "pauschale Öffnung um jeden Preis“.
Für die Grünen stellte sich auch Schwarz gegen die Kultusministerin mit der Aussage „Präsenzbetrieb ist abhängig von der Inzidenz“. Dafür brauche es aber eine verlässliche Datengrundlage. „Was jetzt getan werden muss, ist die Vorbereitung des Schulunterrichts in den nächsten Wochen“, so Schwarz weiter, „jetzt muss der Dialog mit allen Betroffenen dazu gesucht werden, was die verschiedenen Szenarien für dieses Schuljahr sind.“ Denn Schulen ließen sich nicht an- oder ausschalten wie mit einem Lichtschalter.
Rülke wiederum nannte das „Impfchaos" im Land "verheerend". Es sei der ungute Eindruck entstanden, die Planung der Impfmengen sei nicht mit der erforderlichen Präzision angegangen worden. Sein CDU-Kollege Reinhart warnte davor, „Impfneid und Egoismus zu schüren“. Und er verlangte, „der Versuchung zu widerstehen, die Hoffnung der Menschen auf die Impfung für die parteipolitische Profilierung zu nutzen“. Denn: „Sonst könnte man genauso gut fragen, warum es in Baden-Württemberg etwa am Montag 3390 Impfungen gab und im benachbarten Rheinland-Pfalz, wo SPD und FDP regieren, genau null“.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) fühlte sich zur Aufklärung „einiger doch fehlerhaften Darstellungen aufgerufen“. Denn es sei eine Mär, dass es in Baden-Württemberg ein Chaos gebe. Er verteidigte das Vorgehen, anders als etwa Großbritannien grundsätzlich die Dosen für die zweite Impfung vorzuhalten statt die vorhandenen Dosen zu verimpfen, mit dem Argument, dass es sonst bei möglichen Lieferschwierigkeiten zu unkalkulierbaren Problemen kommen könne.
Die AfD kritisierte das Vorgehen grundsätzlich. Offenkundig sinnlose Maßnahmen würden jetzt verlängert, so Fraktionschef Bernd Gögel. Die Runde der Regierungschefs habe jegliches Augenmaß verloren. Der Ministerpräsident führe eine „Angst- und Hysterie-Debatte“, dabei lägen „und das vergessen Sie immer wieder zu erwähnen, die ernsthaften Krankheitsverläufen gemessen an der Gesamtbevölkerung im Promille-Bereich“. Den Vorwurf der AfD, das Grundgesetz außer Kraft zu setzen, nannte Kretschmann, „ungeheuerlich, abwegig und ohne Substanz“.