Landtag beschließt Gesetz zur Polizeistrukturreform

18.07.2013 
Redaktion
 
Polizeibeamte sollen am 23. Juli künftigen Dienstort erfahren

Stuttgart. Mit der Stimmenmehrheit der grün-roten Regierungsfraktionen beschloss der Landtag in seiner letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause in zweiter Lesung das Polizeistrukturreformgesetz. Die politisch, gesellschaftlich und polizeiintern viel diskutierte  Reform soll im Januar 2014 in Kraft treten und betrifft mit rund 28000 Beamten einen der größten Verwaltungsapparate im Land. Die Nettokosten werden auf rund 123 Millionen Euro in 15 Jahren veranschlagt.

Kern der Reform ist die Verschmelzung der bisher 37 Polizeipräsidien und vier Landespolizeidirektionen zu landesweit insgesamt zwölf neuen Polizeipräsidien und deren unmittelbare Anbindung an das Landespolizeipräsidium im Innenministerium. Zudem werden etliche polizeiliche Spezial- und Untersuchungseinheiten sowie Ausbildungsstandorte zentralisiert. Bereits in der kommenden Woche, am 23.Juli, würden nahezu alle Beschäftigten der Polizei im sogenannten Anhörungsverfahren erfahren, wo sie in der neuen Organisation eingeplant seien. Die Aushändigung der Versetzungsverfügungen ist nach Anhörung der Beschäftigten sowie der Personal- und Interessenvertretungen für Dezember 2013 vorgesehen.

Gall: "Wir brauchen eine hochprofessionelle Sicherheitsarchitektur"

Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte zuvor noch bei allen Fraktionen für Unterstützung des Gesetzes geworben und auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Strukturreform hingewiesen, um die Leistungsfähigkeit der Polizei im Land auch künftig zu gewährleisten. Die Bevölkerung habe eine begründete, hohe Erwartungshaltung an die Polizei im Land. „Wir brauchen auch in der Zukunft eine hochprofessionelle Sicherheitsarchitektur, bei der im Ernstfall alle Rädchen ineinandergreifen“, sagte Gall. „Mehr denn je muss die Polizei diese Arbeit künftig in der Mitte der Gesellschaft leisten und nicht an deren Rand.“

Gall betonte erneut die Beteiligung der Polizei selbst an den Eckpunkten dieser Reform. „Ich musste nach dem Studium dieser Eckpunkte schon schlucken, weil mir klar wurde, dass das Papier die Polizei des Landes in ihrem Grundaufbau neu definiert“, sagte Gall. Die Behauptung, die Polizei sei an der Entwicklung nicht beteiligt gewesen, sei eine Missachtung derjenigen Beamten, die unzählige Stunden mit deren Ausarbeitung befasst gewesen seien. „Ich bitte Sie um Ihre Stimme, weil sich die Polizei aus eigenen Stellen auf den Weg gemacht hat, wir haben sie nach Kräften unterstützt und nun ist es an Ihnen, diesen Weg ebenfalls zu unterstützen.“

Blenke: „Es gibt niemanden, der sagt, diese Reform ist richtig"

Kurz vor der abschließenden Abstimmung brachte der innenpolitische Sprecher der CDU, Thomas Blenke, neue rechtliche Bedenken ins Spiel und forderte mit Bezug auf ein von der CDU in Auftrag gegebenes Gutachten des Verfassungsrechtlers Christofer Lenz, der Innenausschuss solle sich erneut mit der Gesetzesvorlage befassen: „Es ist zu befürchten, dass reformbedingte Versetzungen gegen das Landesbeamtengesetz verstoßen und rechtswidrig sind“, sagte Blenke. „Mir scheint, dass eine entscheidende rechtliche Hürde für die Reform übersehen wurde“, sagte Blenke, der befürchtet, dass mit der Verabschiedung des Gesetzes der Grundstein für eine Klagewelle gelegt werde. „Das legt die Vermutung nahe, dass hier im Gesetzgebungsverfahren schwere handwerkliche Fehler passiert sind“, so Blenke. Der CDU-Abgeordnete sagte erneut, dass diese Reform kaum positive Resonanz finde. „Nicht bei den Mitarbeitern, nicht bei den Kommunen, nicht bei der Bevölkerung.“ Blenke: „Es gibt niemanden, der sagt, diese Reform ist richtig. Zustimmung sieht anders aus.“

Dem hielt der Grünen-Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl entgegen, dass die Polizei im Land zu gut sei, um in alten Strukturen weiterzuarbeiten. „Baden-Württemberg ist eines der sichersten Bundesländer, und damit das so bleibt, brauchen wir neue Strukturen“, sagte Sckerl. „Es ist nicht richtig, dass Polizei und Kommunen nicht beteiligt waren. So viel Beteiligung war noch nie bei einem solchen Vorhaben“, so Sckerl weiter, der zudem das Interessensbekundungsverfahren für die Polizeibeamten lobte.

Nikolaos Sakellariou machte für die SPD deutlich, dass die Reform auch eine Notwendigkeit nach Streichung von 1000 Polizeistellen durch die frühere Landesregierung gewesen sei. „1000 Mann weniger in den gleichen Strukturen – das konnte nicht gutgehen“, sagte der SPD-Abgeordnete. Zudem sei die Reform nicht von einer externen Unternehmensberatung, sondern von der Polizei selbst entwickelt worden. An der Veränderung der ursprünglichen Eckpunkte sei ersichtlich, wie sich der Polizeieinfluss ausgewirkt habe.

Anders als die CDU hatte Sakellariou aus der Anhörung im Innenausschuss mitgenommen, das es sehr wohl Reformbedarf innerhalb der Polizei gegeben habe. „Diese Reform unterscheidet sich von allen anderen Reformen, weil sie nicht das Ziel hat, Stellen einzusparen, sondern mit weniger Personal effizienter auszukommen.“ Sakellariou zeigte sich der Überzeugung, dass die Polizeireform beweisen werde, „dass auch so große Reformen sozialverträglich gestaltet werden können“.

Goll: „Wir wollten eine Reform unterstützen, aber nicht diese“

Für die FDP dagegen wurde mit dem Gesetzesvorhaben eine große Chance verpasst. „Wir wollten eine Reform unterstützen, aber diese können wir nicht unterstützen“, sagte Ulrich Goll. „Der Aufwand ist hoch, zu hoch, nicht nur finanziell, sondern auch deshalb, weil die Polizei in den nächsten Jahren im Wesentlichen mit sich selbst befasst sein wird. Die haben im Moment nichts anderes im Sinn als die Umsetzungen, und das hält sie davon ab, womit sie eigentlich sonst beschäftigt sein sollten“, so Goll.

Der FDP-Politiker lobte zwar marginale Verbesserungen wie die Schaffung von Lagezentren oder des Kriminaldauerdienstes.  „Aber das wäre auch mit viel weniger und vernünftigerem Aufwand möglich gewesen.“ Als Hauptwebfehler aber bezeichnete Goll, dass eine zu große Reduktion der Präsidien die Polizeiführung zu weit vom operativen Geschäft entferne. „Es entsteht die Gefahr von Einheiten, die um sich selbst kreisen, weil sie zu weit weg sind vom operativen Geschäft.“ Zudem zeigte sich Goll überzeugt, dass die Reform sehr viel teurer werde als bisher angenommen. „Wir hätten eine Reform in diesem Haus mit drei oder vier Fraktionen beschließen können – aber nicht diese Reform“, so Goll.


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