STUTTGART. Betroffenheit und Solidarität mit den Opfern der verheerenden Flutkatastrophen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bezeugten alle Fraktionen bei der von der SPD beantragten aktuellen Debatte unter dem Motto „Starkregen, Hochwasser, Sturzfluten – wie gut ist Baden-Württemberg auf Unwetterlagen vorbereitet?“. Die Redner riefen zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf, um das Land besser auf extreme Wetterereignisse vorzubereiten.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigte sich beeindruckt, dass in der Debatte „niemand der Versuchung erlegen ist, die Ereignisse zu instrumentalisieren“. Er hält die Aussprache für ein “wichtiges Zeichen der Solidarität aus dem Landtag von Baden-Württemberg“. Strobl kündigte an, dass das Land noch lange Hilfe leisten werde. Weit mehr als 1.000 Einsatzkräfte sind nach seinen Angaben momentan im Einsatz - allein 1.000 aus dem Bereich des Bevölkerungsschutzes sowie 200 Polizistinnen und Polizisten.
Er informierte den Landtag darüber, dass sich die Innenminister der Länder und des Bundes einig seien, dass für den Katastrophenschutz auch künftig Land und Kommunen zuständig seien. Außerdem habe die Ministerrunde eine Optimierung des Katastrophenschutzes insbesondere für länderübergreifende Großschadenslagen gefordert. Und im Blick auf die Warnsysteme sei klar, dass „wir neben dem Digitalen auch das Analoge wie Sirenen brauchen“. In diesem Zusammenhang sei auch die Gefahr von Cyber-Kriminalität nicht zu unterschätzen so Strobl.
Auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch plädierte für die „Wiedereinführung einer Sirenenstruktur“. Er zeigte sich kämpferisch. Es gelte, gemeinsam Vorsorge zu betreiben. „Das Wetter hat uns den Krieg erklärt“, sagte er und versicherte, dass die SPD nicht streiten, sondern mahnen wolle.
„Wenn aus Jahrhundertfluten jährliche Fluten werden, ist Handeln angesagt“, so Stoch. Er sprach sich für eine Pflichtversicherung für Elementarschäden aus, die Förderung des Starkregenmanagements, die Stärkung des Bevölkerungsschutzes hinsichtlich Personalplanung und Materialbeschaffung und kritisierte, dass Schutzmaßnahmen an langen Genehmigungsverfahren scheitern.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sprach sich für eine Enquetekommission zur Krisenfestigkeit aus. Er forderte, „dass die Warnmeldungen der Wetterdienste rechtzeitig weitergegeben und ernst genommen werden“. Außerdem kündigte er an, dass die Landesregierung das Katastrophenschutzgesetz grundsätzlich überarbeiten wird.
Schwarz hält den Klimaschutz langfristig für das beste Mittel der Vorsorge, das jedoch erst in einigen Jahren wirksam werde. Jeder eingesetzte Euro spare fünf Euro an Folgekosten, rechnete er vor. „Eine riesige Aufgabe liegt vor uns“, denn es gelte Städte so umzubauen, „damit sie viel Wasser aufnehmen können wie ein Schwamm“.
Der CDU-Abgeordnete Matthias Miller sieht den Katastrophenschutz im Land gut aufgestellt. Er hält eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung für Gefahren für nötig. Für ihn „ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, den Föderalismus im Bevölkerungsschutz in Frage zu stellen“. Dieser sei bei Land und Kommunen gut aufgehoben.
Nico Weinmann (FDP) forderte, die ehrenamtlichen Strukturen im Katastrophenschutz zu stärken. Beim Klimaschutz will er Anreize durch einen lohnenden Zertifikatehandel an Stelle von Vorschriften. Er fordert Technologieoffenheit bei der CO2-Einsparung und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Der AfD-Vertreter Hans-Jürgen Goßner kritisierte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Eine extreme Flutwarnung darf hier nicht ohne Resonanz bleiben“, sagte der Politiker. Er erinnerte daran, dass die Warn-Apps schon vor einem Jahr versagt hätten. Die zum Teil marode Infrastruktur in den Kommunen, wie das Kanalsystem, müsse ausgebaut werden, so Goßner. Als „nicht hilfreich“ bezeichnete er „die Instrumentalisierung der Katastrophe für Weltverbesserungsutopien im Zeichen des Klimawandels“.