Stuttgart. Gegen die Stimmen von AfD und FDP hat der Landtag einer Änderung des Straßengesetzes zugestimmt und die verbindliche Festlegung der Baulast bei neuen Radschnellverbindungen beschlossen. Außerdem werden weitere Möglichkeiten zur Ausweisung von Carsharing-Parkplätzen geschaffen und die Zuständigkeit für das Aufstellen von Verkehrsschildern unter bestimmten Voraussetzungen den Kommunen übertragen. Von einer Vorreiterrolle des Landes in Sachen Mobilität sprach Karl Rombach (CDU) und wies darauf hin, dass die Landesregierung damit wichtige Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umsetze.
Auf Basis einer landesweiten Potentialanalyse waren im Vorjahr 32 Radschnellwege mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern dem vordringlichen Bedarf zugeordnet worden. Die ersten drei Strecken sind - als Pilotprojekte des Landes - bereits in der Planung. Es handelt sich um die Strecken Heidelberg-Mannheim, Bad-Wimpfen–Heilbronn und Plochingen–Stuttgart. Ein Projekt - Böblingen- Stuttgart - ist bereits im Bau. Außerdem werden aktuell per Machbarkeitsstudie rein kommunale Pläne auf ihre Notwendigkeit und möglichen Kapazitäten durchleuchtet. Ziel ist der Bau von zehn Radschnellwegen bis 2025.
Im grün-schwarzen Regierungsabkommen von 2016 war vereinbart worden, das Straßengesetz mit dem Ziel zu novellieren, Baden-Württemberg zum Wegbereiter einer modernen und nachhaltigen Mobilität zu machen. Straßen sollten deshalb „klimafreundlicheren, die Verkehrssicherheit fördernden und vernetzten Mobilitätskonzepten mehr Raum geben“. Ausdrücklich versprochen wurden Regelungen zu Radschnellverbindungen und zum Carsharing.
Für Rombach ist der Zeitpunkt der Umsetzung gut gewählt, weil kaum ein anderes Thema die Menschen im Land so sehr beschäftige wie die Mobilität. Viele stellten sich die Frage, wie sie künftig zum Arbeitsplatz oder von A nach B kämen. Die Landespolitik müsse diese Menschen im ganzen Land bei der kreativen Lösung von Mobilitätsfragen und der Schaffung von Alternativen zum Individualverkehr mitnehmen. „Eins muss aber klar verdeutlich werden: Die Finanzierung der Radschnellwege darf nicht zu Lasten der normalen Radwege und der Landesstraßen geben“, verlangte Rombach, der vor allem den „Mehrwert“ für Kommunen durch die ebenfalls neugeregelte Aufstellung von temporären Verkehrsschildern lobte.
Sogar von einem „historischen Tag“ sprach Hermann Katzenstein (Grüne), vor allem, weil die Grundlagen für Radschnellverbindungen geschaffen würden. „Wir planen und handeln bedarfsgerecht und ressourcenschonend, und wir schaffen als zweites Bundesland nach Bayern die Voraussetzungen dafür, dass auch auf klassifizierten Straßen Carsharing-Parkplätze ausgewiesen werden können: Das nützt dem Klima und das nützt dem Menschen.“ Ein Beispiel seien entsprechende Parkplätze auf Landesstraßen an Bahnhöfen. Kommunen bekämen außerdem ein Stück Gestaltungshoheit zurück, wenn bei Kirben, Weihnachtsmärkten oder Straßenfesten eigenverantwortlich Verkehrsschilder aufgestellt werden dürften. Die Streichung der Beantragungspflicht sei auch ein Betrag zum Bürokratieabbau.
Martin Rivoir (SPD) begründete die Zustimmung seiner Fraktion zu einem Gesetzentwurf der Regierung mit den gefundenen Regelungen, mochte sich der Bewertung, es handle sich um einen historischen Tag, aber nicht anschließen, weil dies "etwas hochgegriffen“ sei. Das „ideologische Strategieziel“ der Grünen, „die Abschaffung des Individualverkehrs“, kritisierte für die AfD dagegen Hans Peter Stauch scharf. Heute dürfe auf Radschnellwegen, morgen müsse auf Radschnellwegen gefahren werden. Auch Jochen Haußmann (FDP) formulierte erhebliche Bedenken, etwa die Gefahr eines Flickenteppichs bei den Zuständigkeiten.
Verkehrsminister Hermann (Grüne) widersprach der „beschränkten Wahrnehmung“ der AfD, die mit der Beschränktheit der Partei zu erklären sei. Denn individuelle Mobilität setzte keineswegs den Besitz eines Autos voraus. Auch auf ein Fahrrad zu steigen oder ein Carsharing-Angebot zu nutzen sei individuell. Haußmann widersprach der Grüne, weil gerade klare Zuständigkeiten und Rechtssicherheit geschaffen werden sollten. „Wir versprechen uns“, so Hermann, „dass sich immer mehr Menschen für die alternativen Formen von Mobilität interessieren.“