STUTTGART. Grünen-Fraktionsvize Hans-Ulrich Sckerl hat alle Fraktionen im Landtag zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Beate Böhlen, der Bürgerbeauftragten des Landes, aufgefordert. Der parlamentarische Anstand gebiete es, "dass man jetzt einmal respektiert, dass das Parlament diese Stelle mit Mehrheit geschaffen hat“. Böhlen müsse jetzt "eine Chance haben, unter Beweis zu stellen, was sie leisten kann“.
1974 habe Helmut Kohl in Rheinland-Pfalz den ersten Bürgerbeauftragten eingeführt, sagte Sckerl, seit 46 Jahren und über alle Koalitionen in diesem Bundesland hinweg werde dort die erfolgreiche Tätigkeit von allen Parteien getragen. In Baden-Württemberg hingegen gebe es „Gezänk, Gezänk, Eifersüchteleien“.
Die frühere Baden-Badener Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Petitionsausschusses, legte dem Parlament ihren ersten Jahresbericht vor. Danach wurden 95 Prozent der 583 Eingaben abgeschlossen, ein Drittel innerhalb einer einzigen Woche, 66 Prozent positiv. „Mein Team und ich haben in unserem Bericht hinreichend dargelegt, dass wir keine Konkurrenz für den Petitionsausschuss sind oder gar sein wollen“, so Böhlen. Vielmehr gehe es auch darum zuzuarbeiten. Das wiederum berge insbesondere für den Petitionsausschuss "die Chance, dass die Ausschussmitglieder ihre wertvolle Zeit auf diejenigen Petitionen lenken, bei denen der Ausschuss als parlamentarisches Gremium seine Stärken voll und ganz ausspielen kann“. Hierin liege „der große Zugewinn für unsere Demokratie sowie die Bürgerinnen und Bürger“.
Der Start der 54-Jährigen war holprig, weil die Grüne neben dem neuen Amt ihr Gemeinderatsmandat behalten wollte. Die CDU ließ sie im ersten Anlauf sogar durchfallen.
Für die CDU machte Thomas Blenke auch weiterhin kein Hehl aus einer Skepsis, insbesondere weil die Stelle auch als Ansprechmöglichkeit für die Polizei geschaffen wurde. Ansprechpartner für die Angelegenheiten der Landespolizei sei aber der Innenminister. Tatsächlich gingen 2019 fast hundert Beschwerden über die Polizei ein, in den ersten zehn Monaten dieses Jahres sind es schon 107, bei knapp 700 Eingaben insgesamt. Die Bürgerbeauftragte geht davon aus, dass die Zahlen grundsätzlich weiter steigen, weil ihr Amt bekannter werde „als niederschwelliges Angebot“.
Er melde Zweifel an, erklärte dagegen Rainer Hinderer (SPD), „dass das Konstrukt einer Bürgerbeauftragten in der vorliegenden Form ein passgenaues Angebot ist, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, die mit dieser Stelle insbesondere von Seiten der Grünen verbunden waren“. Es gehe auch nicht um Gezänk, sondern um gut begründete Kritik: „Wir wundern uns auch, dass aus den Reihen der CDU nur sehr wenige Fragezeichen hinter diese Stelle und den damit verbundenen Haushaltsposten von immerhin 340 000 Euro Euro gesetzt werden.“ Die Handlungsoptionen der Bürgerbeauftragten seien jedenfalls ähnlich begrenzt wie bei einem ganz normalen Abgeordneten.
Für die FDP nannte Nico Weinmann die Rolle des Amtes weiterhin „unklar“. Außerdem gebe es für Beanstandungen bestehende Mittel, „namentlich den Widerspruch gegen behördliches Handeln und den Rechtsweg zu den Gerichten“. Zudem würden sie flankiert durch den in der Landesverfassung verankerten Petitionsausschuss. Der Heilbronner stellte sich aber auch klar gegen die CDU. Denn angesichts der aktuellen Diskussionen im Polizeikontext sei es „sicherlich nicht verkehrt, einen stärkeren Fokus der Arbeit in diese Richtung zu wenden“. Rüdiger Klos (AfD) sprach von horrenden Kosten und einem rein ideologisch motivierten Versorgungsposten. Die Debatte zeige, dass seine Fraktion den Finger in die richtige Wunde gelegt habe.