Stuttgart. Das berufliche Schulwesen bleibt neben der Gemeinschaftsschule der Zankapfel in der Bildungspolitik des Landes. Grün-Rot werfe mit «ideologischem Übereifer» ein erfolgreiches Schulsystem über den Haufen, kritisierte Viktoria Schmid (CDU) in der heutigen Debatte des Stuttgarter Landtags zum Bericht über die Umsetzung der Empfehlung der Enquetekommission «Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft - berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung».
Ihre Fraktion fordere ein tragfähiges Konzept zur Berufsorientierung. Schmid kritisierte das strukturelle Unterrichtsdefizit von 4,1 Prozent der beruflichen Schulen im laufenden Schuljahr. In der Opposition hätten Grüne und SPD 450 neue Lehrerstellen gefordert; jetzt sei im Koalitionsvertrag davon keine Rede mehr.
Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) wies die Angriffe zurück. Das berufliche Schulsystem in Baden-Württemberg sei auch bundesweit gesehen ein Vorbild. Sie werde das strukturelle Defizit bei der Unterrichtsversorgung mit der demografischen Rendite der 3300 Deputate abfedern, und zwar in allen Schularten, konterte sie. Ihr Ministerium habe feste Deputate für Krankheitsvertretungen an beruflichen Schulen geschaffen, erklärte sie. Warminski-Leitheußer kündigte Gespräche mit den Personalvertretungen an, wie die Bugwelle von Überstunden der Lehrer abgebaut werden könne.
Zuvor hatte Staatssekretär Frank Mentrup (SPD) im Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport angekündigt, dass die Landesregierung trotz der angespannten Haushaltslage die beschlossenen Maßnahmen konsequent umsetzen werden. Dazu gehören unter anderen die Inklusion an beruflichen Schulen, die Einführung der Fremdsprache Englisch in der Berufsschule sowie die Erweiterung des Austauschs zwischen Lehrkräften und Ausbildern. Der Ausbau der beruflichen Gymnasien wurde mit 15 weiteren Klassen fortgesetzt; bei einem Versorgungsgrad von 85 Prozent fehlen noch weitere 50 Klassen zur Vollversorgung.
Beim Übergang in die beruflichen Schulen sieht Siegfried Lehmann (Grüne) noch große Probleme. Gleichwohl halten die Grünen am geplanten Rechtsanspruch auf einen Platz am beruflichen Gymnasium fest, denn dieser sei zentral für die Durchlässigkeit des Bildungssystems. Lehmann sprach sich für die Stärkung des dualen Ausbildungssystems aus. Auch Gerhard Kleinböck (SPD) plädierte für den Ausbau der beruflichen Gymnasien. «Engpässe müssen abgebaut werden. Das geht aber nicht von heute auf morgen», sagte der Schulleiter aus Ladenburg. Er sprach sich auch für die Suche und Qualifizierung von Lehrern mit Migrationshintergrund aus.
Timm Kern (FDP) warf der Regierung vor, sie halte Ressourcen für ihr Lieblingskind Gemeinschaftsschule zurück. Die FDP-Fraktion habe den Eindruck, dass das berufliche Bildungswesen bei der Landesregierung keine Priorität genieße. Kern kritisierte die Abschaffung der Berufsorientierung in Klasse 10 der Werkrealschulen und forderte mehr Weiterbildung durch Bildungsgutscheine.