Debatte um Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes

12.06.2013 
Redaktion
 

Foto: Landtag von Baden-Württemberg

STUTTGART. Mit 50 Jahren schleichend aufs Abstellgleis geschoben – so ergeht es derzeit der Institution des freiwilligen Polizeidienstes in Baden-Württemberg. Für die CDU-Fraktion im Landtag Anlass, eine aktuelle Debatte mit dem Titel „50 Jahre Erfolgsmodell freiwilliger Polizeidienst in Baden-Württemberg“ zu beantragen und heftige Kritik an den Plänen der grün-roten Landesregierung zu äußern, diesen Dienst mittelfristig auslaufen zu lassen.

Der freiwillige Polizeidienst in Baden-Württemberg besteht seit 1963 und wurde von Anfang an – auch in Reihen der Polizei – kontrovers diskutiert.  Derzeit sind im Land noch rund 1000 Hilfspolizisten im Einsatz. Sie treten zwar mit Uniform und Waffe auf und sind äußerlich kaum von hauptberuflichen Polizeibeamten zu unterscheiden, werden aber überwiegend bei Ordnungstätigkeiten eingesetzt.

„50 Jahre freiwilliger Polizeidienst sind 50 Jahre Ehrenamt und 50 Jahre Erfolgsmodell“, so Thomas Blenke, Polizeisprecher der CDU-Fraktion. „Was hat Sie geritten, dieses Erfolgsmodell aufzugeben?“, fragte er in Richtung von Innenminister Reinhold Gall (SPD). Die Entscheidung der Landesregierung, keine neuen Polizeifreiwilligen mehr zu beschäftigen, sei ein fatales Signal an die Ehrenamtlichen im Land. „Sie lassen den Dienst nicht auslaufen, Sie lassen ihn aushungern“, so Blenke; wer in diesem Dienst jetzt noch aktiv sei, müssen sich mit Grausen abwenden. „Denn das Signal ist: Die wollen uns nicht mehr.“ Blenke richtete an die Landesregierung den eindringlichen Appell, die Einscheidung nochmals zu überdenken. „Sonst tragen Sie ausgerechnet im 50. Jahr des Bestehens des Polizeidienstes das Ehrenamt zu Grabe“.

Häffner: Frewillige sind nicht in der Lage Konfliktsituationen zu bewältigen

Für die Fraktion der Grünen verteidigte Petra Häffner indes die Entscheidung. „Im Verbraucherschutz wollen wir sicher sein, dass in Verpackungen nichts anderes drin ist als das, was draufsteht“, sagte sie. Und auch bei der Polizei solle die ausgebildete Person in der Uniform drin stecken, die man darin vermute. Mit einer zweiwöchigen Grundausbildung, einer Prüfung und einer jährlichen Fortbildung von 18 Stunden seien die Polizeifreiwilligen nicht im Ansatz in der Lage, eine mögliche Konfliktsituation, in die sie geraten könnten, zu bewältigen. „Aber die Polizeifreiwilligen laufen mit Uniform und Waffe durch die Straßen, glauben Sie, dass ein Gewalttäter denen gegenüber anders reagiert?“ Die Entscheidung, den Dienst auslaufen zu lassen und die Beamten seit Jahresbeginn 2013 auch nicht mehr auf Streife zu schicken, zeige im Gegenteil die Verantwortung der Landesregierung gegenüber den Freiwilligen.

Der SPD-Abgeordnete Nikolaos Sakellariou verwies auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seit Gründung des Polizeidienstes. „Zu Zeiten von Kuba-Krise und Kaltem Krieg wurde der Dienst aus der Befürchtung gegründet, dass Polizeibeamte für sicherheitspolitische Aufgaben abgezogen werden könnten“, sagte der SPD-Politiker. Nicht nur der gesellschaftliche Rahmen habe sich seitdem gründlich verändert, sondern auch die Anforderungen an die Polizei insgesamt seien viel höher geworden. Das lasse sich aus der erschreckend gestiegenen Zahl der Gewalttaten gegenüber Polizisten ableiten. „Allein im zweiten Halbjahr 2012 hat es im Land 2289 solcher Gewalttaten gegeben, das heißt, dass täglich fünfmal ein Polizist Opfer einer Gewalttat wird“, rechnete Sakelloariou vor. Das habe es früher nicht gegeben, die Respektlosigkeit gegenüber den  Beamten sei gestiegen. „Die Zeiten, als ein Hauptmann von Köpenick nur durch seine Uniform respektiert wurde, sind vorbei“, so der SPD-Abgeordnete. „Und deshalb ist die Aussage, dass das, was vor 50 Jahren richtig war, auch heute noch richtig ist, einfach nicht haltbar.“

Goll: Entscheidung ist weder praktisch noch vernünftig

Ideologische Gründe vermutete dagegen Ulrich Goll von der FDP-Fraktion in der Entscheidung, den Polizeidienst auslaufen zu lassen. Damit bleibe die Landesregierung ihrem Strickmuster „Ideologie vor praktischer Vernunft“ treu. „Denn praktisch und vernünftig ist diese Entscheidung nicht.“ Es sei scheinheilig, mit der potentiellen Gefährlichkeit des Dienstes zu argumentieren. „Da kann man gut fragen, ob Sie morgen die Freiwillige Feuerwehr in Frage stellen. Das ist nämlich auch ganz schön gefährlich“, sagte Goll. „Ich würde sagen, dass wir den freiwilligen Polizeidienst hegen und pflegen sollten, weil die Aufgaben wachsen und wir die professionellen Polizeibeamten woanders besser brauchen können als bei Volksläufen oder Volksfesten.“ Goll fragte zudem, ob die Landesregierung den Mut habe, Polizeibeamte ganz von der Sicherung von Stadtläufen oder Volksfesten abzuziehen und die Organisatoren solcher Veranstaltungen zum Ordnungsdienst zu verpflichten. „Dann nehmen Sie in Kauf, dass es diese Veranstaltungen nicht mehr gibt“, sagte Goll.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) warf dagegen den Verantwortlichen CDU und FPD vor, als Verantwortliche der früheren Landesregierungen den Polizeidienst bereits kräftig ausgedünnt zu haben. „Und zur Wahrheit gehört auch, dass der Dienst von Anfang an auch bei der Polizei selbst umstritten war“, sagte Gall, der den Einsatz der Ehrenamtlichen als überaus anerkennenswert lobte. Der Dienst sei ein gutes Modell gewesen und habe viele personelle Engpässe überbrückt, aber in der Vergangenheit auch Stellenabbau bei der Polizei kaschiert. „Die Freiwilligen haben viele Bereiche abgedeckt, die nicht zu den klassischen Polizeiaufgaben gehören.“ Es stelle sich aber die Frage, ob der Staat für alle diese Aufgaben zuständig sei. Zudem verwies auch Gall darauf, dass sich die Anforderungen massiv verändert hätten. Die Entscheidung, sie nicht mehr auf Streife zu schicken, sei eine Frage der Verantwortung. „80 Prozent der Gewlat gegen Polizeibeamte erfolgen im Streifendienst“, sagte Gall. Die Entscheidung für das Auslaufen dies Dienstes sei in der Abwägung zwischen Fürsorgepflicht und Risiko einerseits und Anerkennung und Wertschätzung der Freiwilligen andererseits gefallen. „Es wird niemand vor die Tür gesetzt.“


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