Stuttgart. Die FDP-Landtagsfraktion ist mit ihrem Vorhaben gescheitert, die grün-schwarze Koalition in der Debatte um ein neues Bildungszeitgesetz zu entzweien. Die zuständige Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) und die Redner der beiden Regierungsfraktionen stellten sich hinter die Vereinbarung, eine Novellierung erst in zwei Jahren ins Auge zu fassen. Die Liberalen wollten mit ihrem – vom Landtag an diesem Mittwoch abgelehnten – Gesetzesentwurf erreichen, dass die „Bildungszeit auf betriebsbezogene Fortbildungen konzentriert, beziehungsweise Fortbildungsmaßnahmen mit Bezug auf ehrenamtliche Tätigkeiten durch betriebliche Freistellungen unterstützt werden“.
Für die Grünen vertrat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindlohr die Ansicht, der Gesetzentwurf sei allein aus taktischen Gründen vorgelegt worden. Wie auch die Ausschussberatungen gezeigt hätten, entspreche er nicht der tatsächlichen Meinung der FDP, denn sie wolle "das Bildungszeitgesetz doch komplett abschaffen“. Wie die Esslinger Abgeordnete verteidigte auch der Claus Paal (CDU) die Zwei-Jahres-Frist, nach der das Gesetz evaluiert werden soll. Die Anhörung des FDP-Gesetzentwurfes habe ergeben, dass der eine Teil der Verbände gegen die Bildungszeit und der andere dafür sei. Für den Vorschlag der Liberalen habe es aber praktisch keine Zustimmung gegeben. Paal machte aus seiner grundsätzlichen Ablehnung einer gesetzlichen Regelung kein Hehl und forderte die Tarifparteien auf, die betriebliche und die außerbetriebliche Fortbildung zu regeln.
„Wir halten das Bildungszeitgesetz für eine echte Errungenschaft in unserem Land“, erklärte dagegen Stefan Fulst-Blei (SPD). Konkret kritisierte er, dass die FDP in ihrem Gesetzentwurf die politische Bildung aus den Fortbildungsmöglichkeiten streichen wollte. „Finger weg“, so der Mannheimer Abgeordnete, „vom Bildungszeitgesetz.“ Der FDP-Abgeordnete Erik Schweikert, Professor für Internationale Weltwirtschaft, sprach vom „dritten Akt“ des Regierungstheaters zum Bildungszeitgesetz und nahm für seine Fraktion in Anspruch, einen Kompromissvorschlag erarbeitet zu haben.
Bestimmt wurde die Debatte auch von den am Wochenende öffentlich gewordenen Nebenabsprachen der Landesregierung. Im Koalitionsvertrag ist zum Bildungszeitgesetz der Passus vereinbart: "Wir werden überprüfen, ob das Bildungszeitgesetz diesen Anforderungen, gerade im Hinblick auf die Interessen von Handwerk und Mittelstand, gerecht wird. Das Bildungszeitgesetz wird deshalb nach zwei Jahren evaluiert und novelliert." Die Nebenabsprache enthält Details über eine mögliche Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer durch den Einsatz von zwei Urlaubstagen, „wenn sich bei der Evaluierung keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben“. Schweickert unterschlug diesen Satzteil in der Aussprache allerdings ebenso wie sein FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Beide gehen davon aus, dass durch die Nebenabsprachen die Ergebnisse der Evaluierung bereits feststehen und die Zwei-Jahres-Frist überflüssig geworden ist. Die ursprüngliche AfD-Fraktion stimmte dem FDP-Gesetzentwurf zu, der Zusammenschluss der Fraktionslosen rund um den AfD-Bundes- und Landesvorsitzenden Jörg Meuthen unterstützten den Vorstoß der liberalen „ausdrücklich“, so Carola Wolle.
Die Wirtschaftsministerin kritisierte, dass die FDP bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes „nicht sehr sorgsam gearbeitet hat“, wie sich auch in der schriftlichen Anhörung der Verbände gezeigt habe. Die Landesregierung halte an der Evaluierung fest, so Hoffmeister-Kraut, die auch noch einmal auf die Nebenabsprachen einging, die deckungsgleich mit dem Koalitionsvertrag seien. Die FDP und beide AfD-Gruppierungen stimmten für den Gesetzentwurf, der mit den Stimmen von Grünen, CDU und SPD abgelehnt wurde.