Stuttgart. Die Opposition im Landtag hat die grün-schwarze Landesregierung und die sie tragende Fraktionen scharf kritisiert. Diese Regierung ziehe nicht an einem Strang, aber leider in die entgegengesetzte Richtung, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch am Donnerstag in der von seiner Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Grün-Schwarze Chaostage“. Deshalb sei die „Komplementärkoalition“ gescheitert.
In der Koalition hänge der Haussegen schief, „jeden Tag treten neue Bruchstellen auf“, konstatierte Stoch. Die Landesregierung aus zwei Fraktionen sei sich „in herzlichster Ablehnung“ verbunden. Jeder kümmere sich um seinen Acker und komme dem anderen nicht in die Quere. Grüne und CDU würden sich gegenseitig beschimpfen, von „Stammtischmentalität“ bis zum Vorwurf des „offenen Rechtsbruchs“ sei die Rede. „Von gewachsenem Vertrauen ist nichts mehr zu spüren“, sagte Stoch knapp ein Jahr nach der Landtagswahl, bei der die SPD aus der grün-roten Landesregierung abgewählt worden war.
Für die AfD ist die CDU eine Zweckehe mit der ungeliebten Braut Grüne eingegangen. „Die CDU wollte auf Teufel komm‘ raus an die Macht“, stellte Rainer Podeswa (AfD) fest. «Jetzt ist man im grün-schwarzen Ehealltag angekommen, und man merkt, es funktioniert nicht.» Es gebe kein Thema der Regierungsarbeit, das einvernehmlich geregelt werde – ausgenommen vielleicht die Einstellung politischer Beamten, deren Zahl zugenommen habe. Der AfD-Fraktionsvize, der für den erkrankten Fraktionschef Jörg Meuthen am Rednerpult stand, forderte die Grünen auf, „endlich geltendes Asylrecht“ umzusetzen, denn Bürger wollten die Einhaltung von Gesetzen und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber.
Grün-Schwarz befinde sich in einem desaströsen Zustand, urteilte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Statt die Geschicke unseres Landes mit Umsicht und Weitblick zu gestalten, gebe es Streitigkeiten in nahezu allen Bereichen. Die Regierungsfraktionen besäßen nur in einer Hinsicht Konsens – prinzipiell eine andere Position zu vertreten als die des Koalitionspartners. So würde Innenminister Thomas Strobl (CDU) Abzuschiebende in den Flieger setzen – „die Grünen holen sie wieder raus“. Auch an der Landesbauordnung mit den Bestimmungen zu Fassaden-Efeu und überdachten Fahrradparkplätzen, die von der CDU im Landtagswahlkampf verspottet und abgelehnt worden sei, habe sich nichts geändert. „Wer hätte gedacht, dass die die CDU einem Fahrverbot für Stuttgart zustimmt“, kritisierte Rülke werden. Ein Beispiel für die „Unterwerfungskoalition“ sei auch die Energiewende: „Die Grünen stellen Windräder auf, ob es dort Wind gibt oder nichts.“ Auch da habe die CDU nichts zu melden. «Statt die Geschicke unseres Landes mit Umsicht und Weitblick zu gestalten, dominieren Streitigkeiten in nahezu allen Bereichen», urteilte der Liberale.
Innenminister Thomas Strobl, der den erkrankten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) vertrat, und die Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) wiesen die Kritik der Opposition zurück. Das Land werde gut regiert“, sagte Strobl. Was die SPD als Regierungsstreit bezeichne, sei Regierungsarbeit. Es werde immer um den richtigen Weg geringen, die CDU stehe für ihre Meinung ein. In seiner Bilanz nach fast einem Jahr Grün-Schwarz sprach der Minister von „enormen Erfolgen“. In der „Koalition der Möglichkeiten“ müsse es nicht immer harmonisch zugehen: „Wir müssen uns nicht immer nur grün sein.“ Der Vorwurf der „Chaos-Tage“ sei abgedroschen, habe die SPD doch damit schon den CDU-Regierungschef Erwin Teufel konfrontiert. Stattdessen habe Grün-Schwarz die „Politik auf Pump der SPD“ beendet und dem Exportland Baden-Württemberg wieder ein eigenes Wirtschaftsministerium gegeben.
Die Fürsorge der SPD sei „geradezu rührig, aber unnötig“, erklärte Andreas Schwarz. Die Koalition verstehe sich prächtig, Grüne und CDU würden an einem Strang ziehen. Zu den Unstimmigkeiten sagte Schwarz, die beiden Fraktionen hätten ja „keinen Fusionsvertrag“ abgeschlossen. „Wir diskutieren, um das Beste für die Menschen zu erreichen und arbeiten an einem erfolgreichen, gerechten und nachhaltigen Baden-Württemberg.“ Bei „Chaos“ denke er eher an Trump, May oder Erdogan. „Der Vorwurf ist lächerlich und unzutreffend“, erwiderte Schwarz. Grün-Schwarz bringe Wohlstand in die Fläche, investiere in viele wichtige Bereiche und habe einen Haushalt der Zukunft verabschiedet. „Bei strittigen Themen finden wird auch immer eine Lösung“, konstatierte der Grünen-Fraktionschef.
Aus Sicht von CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart arbeitet die Koalition „gut und hervorragend für unser Land“. In einem Seitenhieb auf die SPD („Krawall-Opposition“) stellte er fest, mit dem „jetzigen Ehepartner“ der Grünen gehe es einfach besser. Obwohl Grün-Schwarz keine Traumhochzeit und Liebesehe sei; dafür eine solide, belastbare Partnerschaft der wachsenden Wertschätzung und auf Augenhöhe. Die CDU habe sich „nicht vom Acker gemacht“, stellte Reinhart fest und zielte damit auch auf die SPD, die einer nach der Landtagswahl mögliche schwarz-rot-gelbe Koalition eine Absage erteilt hatte. Die Zusammenarbeit sei gut, die CDU mache „bei den Themen Dampf“, bei denen die SPD in fünf Jahren „nichts gemacht“ habe. Reinhart berichtete aus Gesprächen mit Grünen-Abgeordneten, die betonen, der Chaos-Faktor sei bei Grün-Rot um ein vielfaches höher gewesen.
Der CDU-Fraktionschef hob den Einfluss der CDU in der „Koalition der ungeahnten Möglichkeiten“ hervor und nannte beispielhaft die Innere Sicherheit mit neuen Stellen bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz, beim Breitbandausbau, in der Wirtschaftspolitik, bei der Bildungs-Qualitätsoffensive, dem Engagement für den ländlichen Raum und in der Wohnraumförderung.