Stuttgart. Rechtzeitig vor den am 26. Mai 2019 geplanten nächsten Kommunalwahlen in Baden-Württemberg will die Landesregierung kommunalwahlrechtliche Vorschriften ändern. Innenminister Thomas Strobl (CDU) brachte am Mittwoch den Gesetzentwurf zur Änderung dieser Vorschriften in den Landtag ein. Sollte das Parlament in zweiter Lesung dem Entwurf zustimmen, dürfen in Gemeinden mit bis zu 3000 Einwohnern, in denen keine unechte Teilortswahl stattfindet, künftig die Wahlvorschläge doppelt so viele Bewerber enthalten wie Gemeinderäte zu wählen sind. „Wird nur ein Vorschlag eingereicht, haben die Wähler eine echte Auswahl auf dem einzigen Stimmzettel“, heißt es in dem Entwurf.
Außerdem wird Menschen, die bei einer Bürgermeisterwahl erst für die Neuwahl wahlberechtigt sind, die Wahlteilnahme erleichtert, indem sie in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden; bisher müssten diese einen Wahlschein beantragen. Darüber hinaus wird die für Kommunalwahlen maßgebliche Einwohnerzahl von Gemeindeteilen gesetzlich definiert. Ferner wird gesetzlich bestimmt, dass Mandatsträger einer vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Partei oder einer auf Grundlage des Vereinsgesetzes verbotenen Wählervereinigung automatisch aus dem kommunalen Gremium ausscheiden.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte bei der Einbringung des Gesetzes, nach den Kommunalwahlen 2014 sei Verbesserungsbedarf im Kommunalwahlrecht geprüft worden; zudem seien Vorschläge und Anregungen aus dem kommunalen Bereich eingegangen. Es bestehe „nachvollziehbarer Bedarf“ an Verbesserungen. Der Gesetzentwurf biete die Grundlage für die bürgerschaftliche Selbstverwaltung und sei ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Demokratie vor Ort. Die Änderungen zu den Wahlvorschlägen seien eine Option, aber keine zwingende Vorschrift, erläuterte Strobl. Deshalb gebe es weiterhin die Möglichkeit, mehrere Wahlvorschläge für die Gemeinderats- und Ortschaftsratswahl vorzulegen.
Als sinnvolle und hilfreiche Änderungen bezeichnete Bettina Lisbach (Grüne) die neuen Regelungen im Gesetz. Klärungsbedarf gebe es noch zum inklusiven Wahlrecht; hier lägen Änderungswünsche des Landesbehindertenbeirats vor.
Für Ulli Hockenberger (CDU) bieten sich den Wählern durch die Änderungen mehr Auswahlmöglichkeiten. Auch die Bereitschaft, sich auf den Listen aufstellen zu lassen und damit für die Wahl zur Verfügung zu stellen, könne dadurch erhöht werden. Seine Fraktion begrüße auch die klare Feststellung von Einwohnerzahlen. Er schlug vor, im Innenausschuss auch über die mögliche Änderung des Auszählungsverfahren bei der Kommunalwahl zu diskutieren.
Nach Ansicht von Daniel Rottmann (AfD) habe der Gesetzentwurf „mehrere Haken“. Besonders der Passus, dass Mandatsträger einer verbotenen Partei oder Wählervereinigung automatisch aus dem Gremium ausscheiden, stieß bei ihm auf Skepsis. Was passiere dann mit kumulierten und panaschierten Stimmen?, fragte Rottmann. Müssten dann diese Stimmzettel im Nachhinein für ungültig erklärt werden?
Rainer Stickelberger (SPD) sieht Klärungsbedarf bei der Feststellung der Einwohnerzahlen von Kommunen, zumal zahlreiche Klagen gegen den Mikrozensus anhängig seien. Dem Mandatsverlust schließe sich die SPD an. Kritisch bewertete der frühere Justizminister, dass zum inklusiven Wahlrecht „nichts“ im Entwurf von Strobl stehe. „Grüne und CDU haben den Entwurf ohne Inklusion einfach durchgewunken“, warf er den Regierungsfraktionen vor. Auch der dafür zuständige Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) habe sich nicht gemeldet. Ohne Empathie und Rechtsverständnis für die behinderten Menschen sei man geräuschlos über deren Belange hinweggegangen.
Ulrich Goll (FDP) kündigte an, die weiteren Beratungen im Innenausschuss „kritisch und konstruktiv“ zu begleiten. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass die Liberalen dem Gesetz am Ende zustimmen.