Stuttgart. Gambia soll als sicheres Herkunftsland eingestuft werden. Dass sich die Landesregierung beim Bund dafür einsetzt, hat die FDP gefordert. Geprüft werden sollte dies auch für Länder mit einer Anerkennungsquote von unter zehn Prozent. Der Landtag hat den Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Es bestehe eine gewisse Scheu, bestimmte Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Damit bezieht sich Ulrich Goll (FDP) auf die die 8,33 Prozent der Rauschgifthandelsdelikte, die gambische Staatsbürger nach Angaben des Landeskriminalamtes im Jahr 2015 begangen haben. Mit 0,06 Prozent Bevölkerungsanteil in Baden-Württemberg sind Gambier eine sehr kleine Gruppe – und daher als Drogendealer umso stärker überrepräsentiert. Die FDP fordert, das westafrikanische Land als sicheren Herkunftsstaat einzustufen.
Zur Aufenthaltsbeendigung sei das Instrumentarium vorhanden, „aber wir nutzen es nicht vollständig“, sagt Goll. „Wenn wir aus einem Herkunftsland so gut wie keine Anerkennung bekommen, dann scheint es sich um ein sicheres Herkunftsland zu handeln.“ Vor diesem Hintergrund fordert die FDP die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dies bei Ländern mit Anerkennungsquoten von unter 10 Prozent zu prüfen. Goll verweist auf einige Balkanländer, die bereits von der Bundesregierung zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Seither sei die Zuwanderung nach Deutschland nahezu zum Erliegen gekommen.
Daniel Andreas Lede Abal (Grüne) zweifelt am Sinn des Rechtskonstrukts „sichere Herkunftsländer“. Dies sei nicht mit dem individuellen Asylrechtsanspruch in Einklang zu bringen. Zudem erachte er es als „sehr gefährlich“, einen Zusammenhang zwischen der Herkunft aus bestimmten Staaten und kriminellen Handlungen herzustellen.
Siegfried Lorek (CDU) betont, dass straffällige Geflüchtete das Asylrecht ausnutzen und durch kriminelle Handlungen alle Asylbewerber in Misskredit bringen würden. Er sieht in Straftaten Hindernisse bei der Arbeit von Kommunen und Ehrenamtlichen zur Integration. Lorek fragt rhetorisch, wie ein Drogendealer wohl auf einen Flüchtling wirke, der beispielsweise beim Gärtner arbeite, dafür früh aufstehe und am Ende weniger Geld bekäme. „Die Statistik zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht“, sagt der CDU-Politiker. „Wenn eine Gruppe von 0,06 Prozent der Bevölkerung 8,33 Prozent der Straftaten im Drogenhandel begeht, haben wir ein Problem. Das können wir nicht dulden.“ Laut Lorek sei das Thema schon in den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition diskutiert worden. „Leider hat sich die FDP mit ihrem hollywoodreifen Abgang aber aus der Verantwortung gestohlen.“
Daniel Rottmann (AfD) sagt: „Wenn ich den Grünen zuhöre, dann bekomme ich den Verdacht, selbst Bayern wäre ihnen nicht sicher genug, um Flüchtlinge dort hinzuschicken.“ Die steigende Zahl der gambischen Tatverdächtigen in allen Deliktbereichen zeige „das Versagen des Bundes und der Länder auf ganzer Linie“, so Rottmann.
SPD-Politiker Rainer Hinderer fasst zusammen: „Da sich CDU und Grüne nicht einig sind, wird es keine Initiative der Landesregierung geben.“ In Richtung Goll sagte Hinderer: „Ihr Antrag ist Wasser auf die Mühlen der AfD, das hat Kollege Rottmann gerade bestätigt.“
Zu dieser Diskussion gehöre auch, dass Menschen aus Gambia nicht nur vor hoher Arbeitslosigkeit, sondern vor einer „brutalen Diktatur“ geflohen seien. Das Auswärtige Amt habe vor willkürlichen Verhaftungen gewarnt, Menschenrechtsorganisationen vor Folter. Seit der Absetzung des Diktators gebe es Hoffnung, dass die Situation erträglicher werde. Deutschland solle den neuen Präsidenten bei der Demokratisierung Gambias unterstützen, sagt Hinderer.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält es „nur für konsequent“, Menschen aus Ländern mit einer geringen Gesamtschutzquote klarzumachen, wie gering die Erwartung an deren Asylantrag sind. Entscheidender Punkt ist seiner Ansicht nach, die Geschäftsmodelle der organisierten Kriminalität von Schleusern und Schleppern zu bekämpfen. Strobl weist auf die Länder des Westbalkans hin, die von der Bundesregierung bereits als sichere Herkunftsländer eingestuft worden sind. Diese Entscheidung höhle das deutsche Asylrecht nicht aus: „Individuelle Verfahren, in dem Gründe dargelegt werden können, finden weiterhin rechtstaatlich statt“, sagt Strobl.
Klares Ergebnis aus den neuen Sondierungen mit der SPD sei, dass Staaten mit einer Gesamtschutzquote unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen, sagt Strobl. In den gescheiterten Sondierungen für eine Jamaika-Koalition habe es ein ähnliches Ergebnis gegeben. Strobl hält sichere Herkunftsländer für ein „wirksames Instrument zur Begrenzung des Zugangs und Missbrauch des Asylrechts“.