Stuttgart. Mit einem umfangreichen Fragenkatalog hat die SPD-Fraktion Näheres zur Evaluierung des Bildungszeitgesetzes in Baden-Württemberg in Erfahrung zu bringen versucht. „Erhalten Sie das Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg in der vorliegenden Form oder werden Sie tatsächlich die angedrohten Einschnitte im Bereich der nicht-beruflichen Bildung durchführen?“, wollte Stefan Fulst-Blei von den Regierungsfraktionen wissen, „oder wollen Sie wirklich ehrenamtliche Qualifizierungen beschneiden, indem Sie etwa einer Empfehlung des Umfrageinstitutes folgen und einen 'Eigenanteil' der Teilnehmenden einfordern?“ Eigentlich sei das „schwer vorstellbar, würden Sie doch damit Ihre Sonntagsreden von der Stärkung des Ehrenamtes im Lande völlig bloßstellen“.
Vor allem kritisiert die SPD, dass die Ergebnisse der Evaluation zwar bereits seit März vorliegen, bisher aber nicht klar geworden sei, „was die Wirtschaftsministerin nun damit macht“. Vordergründig gehe es darum, nun noch Stellungnahmen einzuholen. In Wahrheit aber sei zu befürchten, dass schon längst vorhandene konkrete Pläne vor der Europa- und Kommunalwahl geheim gehalten werden sollen. Gerade den Grünen warf der SPD-Bildungsexperte möglichen Betrug an der eigenen Parteibasis und der Wählerschaft vor. Denn in den Geheimabsprachen zu Beginn der Legislaturperiode, die dann doch nicht geheim geblieben seien, „waren bereits mögliche Einschnitte in die politische Bildung vereinbart".
Er sei inhaltlich nicht einer Meinung mit der SPD, erklärte Erik Schweickert (FDP). Er könne die SPD aber verstehen, wenn sie sich beklage, dass in den Nebenabreden der grün-schwarzen Landesregierung genau das stehe, was die Evaluierung jetzt ergeben habe. Insgesamt zeige die Evaluation der Bildungszeit alle Defizite klar auf: „Zwei Dritteln der Anspruchsberechtigten ist das Bildungszeitgesetz unbekannt, und lediglich 1,1 Prozent haben das Bildungszeitgesetz 2017 in Anspruch genommen.“ Die Ablehnung seiner Fraktion sei bestätigt, „das Bildungszeitgesetz gehört abgeschafft“.
Für Grünen räumte Andrea Lindlohr ein, dass es einige Irritationen gegeben habe. Grundsätzlich zeigten die Ergebnisse aber, dass das Bildungszeitgesetz „im Großen und Ganzen gut funktioniert“. Für eine noch unbekannte Pflanze sei die Nutzung durchaus bemerkenswert. Die „gemischte Bewertung“ durch die Unternehmen sei „nicht weiter überraschend“, etwa weil sie einen Teil der Kosten tragend müssten. Gerade zeige die Nutzung aber auch, dass bisher unterrepräsentierte Gruppen in der betrieblichen Weiterbildung, etwa befristet Beschäftigte, eher zum Zug kämen.
Claus Paal, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, mahnte eine sachliche Debatte an: „Ein offenes Wort an die SPD: Warum haben Sie so eine Angst vor der Evaluation?“ Die Welt drehe sich doch weiter, deshalb müssten Entscheidungen analysiert werden. Die Kritik am Umgang mit dem Ehrenamt wollte er nicht gelten lassen. Gerade die CDU kenne die Wichtigkeit von Ehrenamt und Weiterbildung. Aber auch Unternehmen seien nur begrenzt belastbar. „Wir müssen schauen, was da draußen los ist, was sich verändert, dass unsere Unternehmen in Probleme hineinlaufen werden, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu träge werden, weil es vielen von uns wirklich zu gut geht, wir müssen wieder mehr darüber sprechen, wer Leistung bringt, wer Steuern bezahlt, anstatt nur noch darüber zu sprechen, wer Steuergelder ausgibt und wo wir sie ausgeben“, verlangte Paal.
Carola Wolle (AfD) sprach von „Bildungszeit für Gebildete auf Kosten der Unternehmen“. 55,5 Prozent würden für berufliche Weiterbildung genutzt, und das sei eine Schlüsselfunktion für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Es könne aber bezweifelt werden, dass es dafür eines Gesetzes bedurft hätte, vor allem, weil damit zusätzliche Bürokratie einher gehe. Zur Gänze lehnt die AfD ab, dass Unternehmen für politische Bildung zahlen müssen, weil sie „mit Sicherheit zuletzt brauchen, dass Arbeitnehmer eine Woche für politische Weiterbildung an ihrem Arbeitsplatz fehlen". Das ganze Gesetz sei überflüssig.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sprach vom Bildungszeitgesetz als „Erbe“ aus der Zeit, in der die SPD mitregiert habe, deshalb sei es für sie „eine unantastbare heilige Kuh“. Zugleich machte sie klar, dass noch weitere Stellungnahmen eingehen würden. „Nachdem der Bericht vorlag, haben wir die sechs Stakeholder, die wir auch schon im Vorfeld der Evaluation mit einbezogen haben, stellvertretend für die Interessenvertreter, die uns jetzt in diesem Evaluationsprozess begleitet haben, um eine schriftliche Stellungnahme gebeten“, erläuterte die Ministerin. Die würden bis 24. Mai vorliegen und dann werde sie persönliche Gespräche führen: „Im Anschluss daran und auf Basis dessen werden wir die politische Diskussion führen, um eine mögliche Novellierung des Bildungszeitgesetzes - wie sich das gehört - innerhalb der Landesregierung und dann auch im Landtag zu beraten.“ Und diesem Prozess wolle „jetzt an dieser Stelle nicht vorgreifen“.