Stuttgart. Der Landtag hat einen neuen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP stimmte an diesem Mittwoch das Parlament mit großer Mehrheit für den Ausschuss „Aufklärung der Vorgänge an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg (HVF) und der Rolle des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK), insbesondere des möglichen pflichtwidrigen Verhaltens von Ministerin Theresia Bauer“. Der Zusatz „Bauer I“ als Kurzbezeichnung wurde auf Antrag der Grünen mehrheitlich abgelehnt. Die Kurzbezeichnung soll der Ausschuss einvernehmlich festlegen.
Die Opposition nutzte die Debatte um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu Angriffen auf Bauer. Die Ministerin sei ihrer Verantwortung zur Aufklärung der Vorgänge an der HVF nicht nachgekommen, obwohl sie schon 2012 Kenntnisse von den rechtswidrigen Professoren-Zulagen und anderer Missstände hatte, kritisierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Dadurch sei ein nachhaltiger Schaden entstanden, seit fünf Jahren komme die Hochschule nicht zur Ruhe. Für die Ministerin sei es wohl nicht attraktiv, sich bei lästigen Themen einzumischen. Bauer habe nicht nachhaltig gehandelt, sondern versucht, die Sache zu vertuschen, sagte Stoch. Er warf der Ministerin vor, trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit von Zulagen keine Maßnahmen ergriffen zu haben.
Auch die Liberalen griffen Bauer an. Die Ministerin habe nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, urteilte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Sie habe zugesehen, wie rechtswidrig Zulagen an Professoren gewährt wurden, die nun Gegenstand der staatsanwaltlichen Anklage seien. Als Rechtsaufsicht sei Bauer jedoch verpflichtet gewesen, Strafverfolgung zu ermöglichen. Stattdessen habe sie „weggeschaut und vertuscht“. Trauriger Höhepunkt sei nun die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen 15 Verdächtige wegen Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu.
Außerdem bezichtigte Rülke die Ministerin der Lüge. Sie habe in einer parlamentarischen Anfrage die Unwahrheit gesagt, denn nicht alle 17 Professoren-Verträge seien umgedeutet worden, sondern lediglich vier. 13 Verträge seien rechtswidrig. „Da sind sie mit der Wahrheit nicht rübergekommen“, sagte Rülke. Als „Bauer-Opfer“ bezeichnete der Liberale die vom Ministerin eingesetzte und mittlerweile wieder ausgeschiedene Rektorin der HVF. Kritik setzte es auch für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Regierungschef und sein Staatsministerium seien frühzeitig in die Vorfälle involviert gewesen; Kretschmann aber habe die Sache ans Ministerium abgeschoben.
Für die Grünen wies Thekla Walker die Kritik zurück. Sie unterstellte SPD und FDP einen Generalverdacht gegen alle Hochschulen in Baden-Württemberg. Außerdem äußerte die Grüne Zweifel daran, ob der Untersuchungsausschuss „mit Augenmaß und Verantwortung“ an die Sache herangehe oder ob die Opposition nur auf Trophäen aus sei. Walker gab zu, dass es in einigen Fällen Professoren-Verträge gegeben habe, die „rechtswidrig ausgestattet“ seien. Allerdings seien die Vorgänge in der vergangenen Legislaturperiode schon häufig und ausführlich im Parlament behandelt worden. Deshalb warf sie den Antragstellern vor, in Kauf zu nehmen, dass die HVF wieder in einem schlechten Licht erscheine. Sie beantragte, die zusätzliche Bezeichnung „Bauer I“ für den Ausschuss zu streichen; der Titel werde üblicherweise im Ausschuss festgelegt.
Als „wichtigen Baustein“ in der Hochschullandschaft bezeichnete Sabine Kurtz (CDU) die HVF. Die Ludwigsburger Hochschule leiste wertvolle Dienste für den öffentlichen Dienst. Ihrem FDP-Kollegen Rülke warf Kurtz „Scheinheiligkeit“ vor. Die Opposition wolle „Wirbel um die Ministerin“ entfachen. Eine Schlammschlacht müsse jedoch verhindert werden. Auch die CDU-Abgeordnete äußerte Zweifel, ob die parlamentarische Aufklärung in einem Untersuchungsausschuss sinnvoll ist. Allerdings seien „Minderheitenrechte wichtig“. Kurtz hatte während der Oppositionszeit der CDU in der vergangenen Legislaturperiode Ministerin Bauer wegen der Vorfälle in Ludwigsburg und Bauer schlampige Arbeit und fehlenden juristischen Sachverstand vorgeworfen. Die Opposition sei gespannt, wie Kurtz heute die Angelegenheit beurteile, sagte Rülke.
Auch die AfD begrüßte die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittele und Anklage erhebe, gehe es nicht nur Kleinigkeiten wie den Streit um Parkplätze, mache Fraktionschef Jörg Meuthen deutlich.
In ihrem gemeinsamen Antrag erklärten SPD und FDP, der Untersuchungsausschuss werde sich nicht nur auf die rechtswidrigen Vorgänge an der Hochschule konzentrieren, sondern insbesondere das unzulängliche Krisen- und Kommunikationsmanagement, aber auch potenzielle Aufklärungsversäumnisse und Pflichtverletzungen der Ministerin und ihres Ministeriums kritisch beleuchten.
Der Landtag wählte nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses dessen Mitglieder. Dem Gremium gehören an: Thomas Hentschel, Barbara Saebel, Alexander Salomon, Thekla Walker (alle Grüne), Marion Gentges, Karl Klein, Sabine Kurtz, Siegfried Lorek (alle CDU), Jörg Meuthen, Rainer Podeswa (beide AfD), Sascha Binder, Gabi Rolland (beide SPD), Nico Weinmann (FDP). Zur Vorsitzenden des Ausschusses wurde Sabine Kurth gewählt, zu ihrem Stellvertreter Rainer Podeswa.