Stuttgart. Die Landesregierung will die Voraussetzungen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen lockern. Finanz- und Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hofelich (SPD) brachte am Donnerstag den Gesetzentwurf zur Änderung des Bauberufsrechts und anderer Gesetze in den Landtag ein. Grün-Rot setzt damit die bis zum 18. Januar 2016 geforderte EU-Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen innerhalb der EU für die Berufsgruppe der Architekten und Ingenieure um. Desweiteren sollen die Regelungen zu Berufsgesellschaften von Architekten und Beratenden Ingenieuren überarbeitet werden. Außerdem wird es der Landeskreditbank (L-Bank) ermöglicht, die Bewilligungen von Förderleistungen vollautomatisiert vorzunehmen. Die Novelle ermöglicht auch die elektronische Abwicklung von Anerkennungsverfahren und schafft die Grundlage für die künftige Einführung des Europäischen Berufsausweises.
Hofelich erwartet durch das Gesetz, dass die Wettbewerbsfähigkeiten von Architekten und Ingenieuren „gesteigert“ wird. Außerdem würden die Zuzüge von Fachkräften nach Baden-Württemberg erleichtert. Der Staatssekretär glaubt auch, dass der Missbrauch durch gefälschte Dokumente besser verhindert werden kann. Durch die Übertragung der Aufgaben bei der Anerkennung der ausländischen Dokumente von den Regierungspräsidien auf die Ingenieurkammer erwartet Hofelich nicht nur eine Bündelung und mehr Transparenz, sondern auch eine Entlastung der Präsidien. Es sei auch ein Beitrag „zur bürgernahen Verwaltung und zum Bürokratieabbau“, erklärte der SPD-Politiker.
Reinhard Löffler (CDU) warf Grün-Rot vor, die Gesetzesvorlage „hektisch“ in den Landtag eingebracht zu haben. Seit November 2013 habe die Novelle in der Schublade des Finanz- und Wirtschaftsministeriums gelegen, das Kabinett habe keine Zeit mehr für eine Beratung gehabt und es sei noch keine elektronische Fassung der Vorlage zu haben. Das drohende Strafverfahren der EU habe zur hektischen Verschickung der Gesetzesänderung durch das Staatsministerium geführt. Wenn es um die Interessen des Mittelstands gehe, sei Grün-Rot „fußkrank unterwegs“, kritisierte er. Hastig und mit heißer Nadel werde das Gesetz nun durchs Parlament gejagt.
Andrea Lindlohr (Grüne) und Hans-Peter Storz (SPD) lobten dagegen die Initiative. Man nutze die bundesrechtliche Öffnung für dieses Gesetz, sagte Lindlohr. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen seien „gut und richtig“. Storz betonte, wenn ein Arbeitgeber einen Ingenieur suche, müsse er auch einen bekommen, wie es auf dem Papier steht. Die Übertragung der Zuständigkeit an die Selbstverwaltung der Berufsverbände sei richtig. „Wir setzen auf die Kompetenz der Ingenieurkammer“, sagte Storz. Bei den Architekten ist dies schon der Fall.
Das Gesetz erscheine harmlos, stellte Nico Reith (FDP) fest. Aber die Landesregierung will aus seiner Sicht „ein Osterei unter den Weihnachtsbaum legen“. Er bezweifelt, ob damit der Bedarf an Ingenieurstellen in Baden-Württemberg nachhaltig gedeckt werden kann. „Mehr als 12 000 Ingenieurstellen sind unbesetzt“, berichtete der Liberale. Reith zweifelt auch daran, ob es richtig ist, die Aufgaben von den Regierungspräsidien an die Ingenieurkammer zu verlagern. Nur ein Prozent der baden-württembergischen Ingenieure, also 2760 von insgesamt 270 000 Ingenieuren, sei in der Kammer organisiert.