Stuttgart. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hat sich für eine Abkehr vom „Acht-Stunden-Normarbeitstag mit Stechuhr“ ausgesprochen. In einer Landtagsdebatte über Flexibilität in der Arbeitswelt sagte er, in der Zukunft werde möglich, „wovon Generationen geträumt haben: ein freieres und selbstbestimmteres Leben“. Baden-Württemberg müsse „Modellschauplatz dafür werden“.
Für die Grünen verband Andrea Lindlohr das Lob für die Entwicklung in der Industrie mit Kritik an der Verwaltung, in der sich die Arbeitswelt in den vergangenen zehn Jahren noch viel weniger als in Unternehmen verändert habe. Die Digitalisierung, sagte die Abgeordnete, schaffe viele neue Möglichkeiten. Die Notwendigkeit, Arbeit zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu erledigen, werde immer geringer. Auch Lindlohr betonte vor allem die Chancen und verwies auf nicht eingetretene Negativ-Prognosen seit den 1980er Jahren.
Von der Bundesregierung forderte sie klarere Regelungen zum Thema Leiharbeit und Werksverträge. Bei allem Verständnis für Flexibilisierungsforderungen wollen die Grünen an einem allerdings nicht gerüttelt wissen: An der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhezeit von elf Stunden. Auch im Zeitalter der Digitalisierung ändere sich nicht, so Lindlohr, „dass Menschen Ruhe und Schlaf brauchen“.
AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen beklagte sich über "Plattitüden" der anderen Fraktionen und den „Talkshow-Fimmel“, der sich im unpräzisen Titel der Debatte niederschlage. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Boris Weirauch nutzte die Gelegenheit, um noch einmal Ex-Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) zu rühmen, weil er in der vergangenen Legislaturperiode große Fußstapfen hinterlassen habe.
Reinhart sah dies naturgemäß anders und lobte, wie seine Partei in der neuen Landesregierung die Wirtschaftspolitik „aus den Hinterzimmern des Finanzministeriums herausgeholt" habe. Weirauch mahnte das „Recht auf Unerreichbarkeit“ für die Beschäftigten in digitalisierten Unternehmen an. Arbeitnehmer dürften durch veränderte Arbeitsmodelle und –abläufe nicht benachteiligt werden. Er erinnerte zugleich daran, dass Details in den Händen der Tarifpartner lägen. Wer glaube, die Debatte über Flexibilisierung nutzen zu können, um Arbeitnehmerrechte oder die betriebliche Mitbestimmung zu schleifen, müsse mit „dem entschiedenen Widerstand der SPD rechnen“.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) fasste das Debatten-Thema noch weiter: Es sei darüber zu reden, „wie wir leben wollen“. Denn alle Menschen seien bereits mitten drin in der Digitalisierung, die aktiv mitgestaltet werden müsse „als große und wichtige Chance“. Bei aller Begeisterung gebe es aber auch Bedenken, etwa die Angst vor dem Zwang zu ständiger Erreichbarkeit. Diese Bedenken werde sie ernstnehmen.
Einen Blick auf frühere Phasen des Wandels in den 1980er und 1090er Jahren warf Gabriele Reich-Gutjahr (FPD). Damals waren die Stichworte gläserne Mitarbeiter, Just-in-Time, verlängerte Landesöffnungszeiten oder der Fortschritt vom Fax zum E-Mail. „Unsereiner war mittendrin“, so Reich-Gutjahr, „wir haben learning by doing gemacht.“ Darauf dürfe auch heute vertraut werden. Allerdings habe die smart-technology die Geschwindigkeit des Wandels erheblich gesteigert.
Und Reich-Gutjahr appellierte ebenfalls an den Staat, sich größerer Flexibilität zu öffnen. Die Abgeordnete nannte aber auch die „psychosoziale Hygiene“ als großes Thema, denn Selbstverantwortung und -steuerung entwickelten sich nicht von selbst. Anders als SPD und Grüne kann sich die FDP sehr wohl eine Verkürzung der gesetzlichen Ruhezeiten von elf, etwa auch neun Stunden vorstellen.