Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten erörtert

23.06.2017 
Redaktion
 

Stuttgart. Der neue Landesbeauftragte für den Datenschutz, Stefan Brink, hat am Donnerstag erstmals im Landtag gesprochen. Datenschützer seien keine Technologiegegner, sie seien auch nicht die Maschinenstürmer des 21. Jahrhunderts, aber sie dürften auch nicht die Bevormunder der Bürger oder gar die Besserwisser sein, sagte der 49 Jahre alte Jurist, der am 1. Dezember als Nachfolger von Jörg Klingbeil in das beim Landtag angesiedelte Amt gewählt worden war. Bei der Aussprache über den noch von seinem Vorgänger erstellten 32. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten erklärte Brink, die Unabhängigkeit des Datenschützers diene nicht dazu „Ihnen Ihre schwierige Entscheidung zwischen Freiheit, Sicherheit, wirtschaftlichem Wohlergehen und modernen Gesellschaftsmodellen abzunehmen, sondern Sie dabei auf hohem fachlichen Niveau zu unterstützen“. 

Brink sieht in Digitalisierung "neue Bedrohungen unserer Freiheit"

Der Datenschutzbeauftragte ist aus Sicht von Brink „der Verteidiger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung“.  Dieses Grundrecht sei heute bedrohter denn je. Denn die moderne, digitale Welt schaffe nicht nur viele neue Chancen der Selbstentfaltung, sondern zugleich auch „neue Bedrohungen für unsere Freiheit“. Jugendliche seien in Gefahr, keinen Arbeitsplatz zu finden, weil sie zu freizügige Bilder im Netz verbreitet haben; Kranken- oder Lebensversicherungen zu fairen Preisen könnten verloren gehen, wenn der Versicherer schon ein Profil über die persönliche Risikobereitschaft oder individuelle Krankheitswahrscheinlichkeiten angelegt habe. 

"Aufgabe des Datenschutzes ist, zu klären, aufzuklären, transparent zu machen, vor Datenmissbrauch oder Übervorteilung zu warnen“, erklärte der unabhängige Jurist. Seine Aufgaben könne der Landesbeauftragte nur erfüllen, wenn er Gehör finde, wenn seine Positionen nicht übergangen, wenn sie nicht unbedingt übernommen, aber doch berücksichtigt werden“, appellierte Brink an die Parlamentarier. Dies sei vom Landtag bisher getan worden, wie die „interessierte Aufnahme“ des 32. Tätigkeitsberichts zeige. 

Der Tätigkeitsbericht sei spannend, urteilte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) und empfahl ihn seinen Kollegen als Sommerlektüre. Er zeige, wie tief der Datenschutz in alle Bereich des Lebens längst und gerade im digitalen Zeitalter eingedrungen sei und wie groß die Aufgabe ist, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu verteidigen. Die Unabhängigkeit des Datenschützers gehe in den nächsten Jahren weiter; schon allein durch die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, die am 25. Mai 2018 in Kraft treten wird, werde dies eine eigenständige wichtige Behörde. Keine Frage sei es, dass in den Beratungen über den Doppelhaushalt 2017/18 über die personelle und sachliche Ausstattung des Datenschutzes gesprochen werde. 

Sckerl forderte Brink auf, „auch ungemütlich“ zu werden, wenn er empfindet, dass die Abgeordneten mit sensiblen Vorhaben nicht sachgerecht umgehen. Die Verordnung sei auch für den Landtag die größte Herausforderung der nächsten Monate; „bündelweise“ müssten Gesetze geändert werden, nicht nur das Polizeigesetz, um sie an die neue Datenschutz-Verordnung anzupassen. Das europäische Datenschutz-Grundrecht gelte dann auch für außereuropäische Unternehmen, wenn sie Waren und Dienstleistungen für den europäischen Markt anbieten. „Unser Landesbeauftragter ist dann auch für Facebook, Amazon und Co. zuständig. Das wird spannend“, erklärte der Grüne. 

Für Innenminister muss modernes Datenschutzrecht auch den europäischen Binnenmarkt stärken

Auch Arnulf Freiherr von Eyb (CDU) findet den 254 Seiten umfassenden Tätigkeitsbericht „spannend“. Datenschutz sei zu einem der wichtigsten Querschnittsthemen in der öffentlichen Hand geworden. Es gehe inzwischen auch um den Datenschutz im nicht öffentlichen Raum. „Die persönlichen Daten verkommen teilweise zu einer Art Währung für den vermeintlich kostenlosen Dienst. Man kann nur davor warnen“, konstatierte von Eyb unter Hinweis auf den oft „laxen Umgang“ gerade junger Menschen mit persönlichen Daten. „Wir müssen dringend darauf hinarbeiten, dass Daten einen Eigentumsschutz erhalten, damit man weiß, wem sie eigentlich gehören“, sagte der CDU-Abgeordnete. 

Die AfD stehe „selbstverständlich“ für den Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, stellte Rüdiger Klos (AfD) fest. Auch er empfahl den „hervorragenden und hoch interessanten Bericht“ zur Lektüre. Insbesondere junge Menschen müssten vor dem sorglosen Umgang mit sensiblen Daten wie Unterlagen in Krankenhäusern, bei Ärzten, Therapeuten oder Rechtsanwälten gewarnt werden. Die AfD wolle beim Datenschutz aber das Subsidiaritätsprinzip und diesen auf die untere Ebene verlagern; die europäische Ebene soll erst dann aktiv werden, wenn die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten „nicht mehr ausreichen“. Klos sprach sich, wie Ex-Datenschützer Klingbeil, gegen eine zentrale Bundesbehörde für Datenschutz mit Zweigstellen in den Ländern aus. Dagegen ist die AfD dafür, an einem Tatort gesicherte Fingerabdrücke, DNA-Spuren oder Ähnliches zu verwerten: „Ein Straftäter hat kein Recht darauf, dass die digitale Spur, die er verursacht hat, nicht verwertet werden darf.“ 

In Bezug auf die personelle Ausstattung der Behörde des Datenschutzbeauftragten sprach sich Sascha Binder (SPD) zur Rückkehr zum Konsens aller Fraktionen aus. Er verlangte auch die Beteiligung von Brink in der Beratung von Sicherheitsgesetzen, wie dem Polizeigesetz. Dabei müsste der Datenschutz ernst genommen und nicht in die Nähe des Täterschutzes gerückt werden. 

Auch für die Liberalen darf der Datenschutz nicht „zum Komplizen von Schwerverbrechern“ gemacht werden. Gerade wenn in Zeiten terroristischer Bedrohung eine sicherheitspolitisch angeheizte und sehr emotionale Debatte geführt werde, sei die Politik gehalten, einen „breiten und sachlichen Diskurs“ zu führen. Die FDP wollen, dass jeder die Chance der Digitalisierung nutzen kann, gleichzeitig aber sein Recht auf Selbstbestimmung behalten kann. 

Der für die Digitalisierung zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte an, ein „modernes Datenschutzrecht zu schaffen, das die Grundrechte der Bürger stärkt und den europäischen Binnenmarkt stärkt“. Gleichzeitig dürfe die Wirtschaft nicht durch unnötige Hemmnisse beeinträchtigt werden. Die Digitalisierung diene dem Mensch, dieser stehe im Mittelpunkt. Sie sei kein Selbstzweck. Laut einer Umfrage würden 90 Prozent der Befragten erwarten, dass die Digitalisierung ihr Leben privat und am Arbeitsplatz weiter einschneidend verändere, berichtete Strobl. Zukunftsthemen wie Big Data, Smart-TV, vernetztes Autofahren oder intelligente Stromzähler würden ohne Vertrauen der Bürger darauf, dass ihre Daten sicher sind und nur für zulässige Zwecke verwendet werden, keine Akzeptanz finden, befand der Innenminister.


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