Regierung bringt Wegfall der Grundschulempfehlung auf den Weg

10.11.2011 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Tage der verbindlichen Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg sind gezählt. Die grün-rote Landesregierung brachte heute den Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes in den Landtag ein. Mit dessen Verabschiedung soll die verbindliche Grundschulempfehlung durch eine qualifizierte Beratung der Eltern ersetzt werden. Vom kommenden Frühjahr an können dann die Eltern selbst und nicht mehr die Grundschule darüber entscheiden, in welche weiterführende Schulart ihr Kind nach der vierten Klasse wechseln wird. Während Grüne und SPD die Änderung begrüßten, äußerten CDU und FDP Kritik. «Die Koalition untergräbt unser Schulsystem», wetterte Timm Kern (FDP) und bezeichnete die überstürzte Abschaffung als «Rammbock» gegen die Schulen.

Bei der Einbringung des Gesetzes sagte Staatssekretär Frank Mentrup (SPD), mit der neuen Regelung werden die Verantwortung und die Rechte der Eltern gestärkt. «Wir nehmen die bisherige Spannung und Emotionalität aus dem Verfahren.» Wie in vielen anderen Bundesländern solle auch in Baden-Württemberg künftig der Elternwille entscheiden und nicht die verbindliche Zuweisung an eine weiterführende Schulart. Die Grundschullehrer, deren Votum bisher verbindlich war, sollen nur noch beraten. «Sie sollen nicht mehr unter dem Druck der Eltern stehen», begründete Mentrup die Neuerung.

Er widersprach Befürchtungen von Seiten der CDU und FDP, dass die Entscheidungsfreiheit der Eltern einen Run auf die Gymnasien und Realschulen auslösen wird: «Die Schülerströme werden sich nicht verändern.»

«Sachlich und fachlich falsch» sei das Vorhaben, kritisierte Georg Wacker (CDU). Der frühere Kultus-Staatssekretär mutmaßt, dass die neue Regierung den Bildungsgang Hauptschule wegfallen lassen möchte. Damit werde keine Bildungsgerechtigkeit geschaffen, sagte er und befürchtet negative Auswirkungen vor allem für Kinder aus sozial unterprivilegierten Schichten. Die bisherige Empfehlung sei eine Anschlussempfehlung für die wechselnden Viertklässler gewesen.

Bisher konnten Eltern, die die Empfehlung nicht akzeptieren, einer Beratung durch externe Lehrer unterziehen. Für die Kinder gab es Aufnahmeprüfungen in weiterführende Schulen. Dieses dreistufige Verfahren habe sich bewährt, urteilte Wacker. Gleichzeitig monierte der CDU-Bildungsexperte das Fehlen des neuen Beratungskonzeptes.

Nach Ansicht von Sandra Boser (Grüne) ist die neue Regelung stärker am Kind orientiert. Gute Schule gehe nur im Einvernehmen mit den Eltern. Deren Kindern müssten alle Wege offen stehen. Mit der bisherigen verbindlichen Empfehlung sei die Schullaufbahn zu früh festgelegt worden. Boser erwartet keine Veränderungen bei den Schülerströmen: «Bisher wurden schon 15 Prozent der Gymnasial-Empfehlungen nicht angenommen.» Für Klaus Käppeler (SPD) ist die neue Grundschulempfehlung die «erste entscheidende Weichenstellung» von Grün-Rot in der Bildungspolitik. CDU und FDP wollten mit allen Mitteln das dreigliedrige Schulsystem erhalten, damit sie «Kinder ausgrenzen konnten, die sie nicht in der Realschule oder im Gymnasium haben wollten». Zudem hätten alle angehörten Verbände und Organisationen den Plänen zugestimmt, berichtete der Schulleiter. Er ist sich gewiss, dass alle Eltern sogar mehr auf die richtige Schule ihrer Kinder achten, weil nun die Verantwortung allein bei ihnen liege.

Die Bildungspolitik ist ein Schwerpunkt der neuen Landesregierung. Das zentrale bildungspolitische Reformprojekt ist die Gemeinschaftsschule. Vom nächsten Schuljahr an sollen nach ihren Plänen zunächst 30 Modellschulen an den Start gehen, in denen der Haupt- und Realschulabschluss sowie das Abitur möglich sind.


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