Unterbringungsgesetz vom Landtag einstimmig gebilligt

20.06.2013 
Redaktion
 

Foto: Landtag von Baden-Württemberg

Stuttgart. Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg ein neues Unterbringungsgesetz für psychisch Kranke verabschiedet. Die  Abgeordneten aller vier Parteien stimmten der Vorlage des Sozialministeriums am Donnerstag in zweiter Lesung zu. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 12. Oktober 2011 das bisherige Gesetz für verfassungswidrig erklärt hatte, wird in der Novellierung die Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen mit Medikamenten neu geregelt.

„Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie und im Maßregelvollzug sind ein sensibles, schwieriges Thema. Zwang erlebt niemand gern”, sagte Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD). Deshalb dürfe auch in der Psychiatrie künftig nur im äußersten Notfall Zwang angewendet werden, wenn beispielsweise das Leben der Patienten auf dem Spiel steht.

Kernpunkte der neuen gesetzlichen Regelung sind die Einwilligung der Patienten zur Behandlung. Nur wenn sie sich oder andere gefährden oder unfähig sind, selbstbestimmt zu leben, kann davon abgewichen werden. Wenn Zwang in solchen, engen Ausnahmefällen notwendig wird, muss dieser nicht nur von einem Arzt angeordnet werden, sondern zuvor auch ein Richter aufgrund eines Gutachtens einwilligen. Bei der Medikamentierung darf nur das mildeste Mittel verabreicht werden. Statt Arzneimittel muss auch eine Psychotherapie erwogen werden. „Wir legen die Messlatte sehr hoch”, erklärte Altpeter. Aber es werde auch in ein hohes Rechtsgut eingegriffen, in das Selbstbestimmungsrecht kranker Menschen und deren körperliche Unversehrtheit. Mit einer Zwangsbehandlung darf auch nicht gegen eine Patientenverfügung verstoßen werden.

Lucha: Selbstbestimmtes Leben steht im Mittelpunkt

Stefan Teufel (CDU), Manfred Lucha (Grüne), Florian Wahl (SPD) und Jochen Haußmann (FDP) signalisierten Zustimmung. Teufel lobte die Verhältnismäßigkeitsprüfung, in der der untergebrachte Mensch so weit wie möglich aufgeklärt wird und eine Dokumentation erfolgt. Für Lucha steht das selbstbestimmte Leben im Mittelpunkt, selbst wenn für Menschen eine Zwangsbehandlung notwendig werde. Aus Sicht von Wahl erhalten Ärzte und Pfleger durch das neue Gesetz mehr Rechtssicherheit, wobei die Zwangsbehandlung nur die ultima ratio sei. Auch für Haußmann ist die Zwangsmedikamentierung nur letztes Mittel, bei Lebensgefahr und Gefahren für beteiligte Menschen.

In der Anhörung begrüßte der überwiegende Teil, insbesondere die Ärzteschaft und Vertreter der Heilberufe sowie von der Justiz, die Novelle, um auch künftig eine sinnvolle Behandlungsmöglichkeit zu gewährleisten. Der Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen Baden-Württemberg teilte zumindest das Ziel einer Neuregelung zur Vermeidung von nicht notwendigen Zwangsbehandlungen, lehnte den Gesetzentwurf aber ab. Die Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaft und der Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen lehnen eine Zwangsbehandlung grundsätzlich ab.

Bisherige Regelungen im Gesetz waren zu vage

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Klage eines Insassen des baden-württembergischen Maßregelvollzugs gegen Zwangsmedikation stattgegeben. Demnach waren die bisherigen gesetzlichen Regelungen im sogenannten Unterbringungsgesetz des Landes zu vage. Nach groben Schätzungen wurden bisher etwa vier Prozent der im Jahresschnitt 100 000 Patienten in psychiatrischen Einrichtungen im Südwesten medizinisch zwangsbehandelt.


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