Landtag beschließt NSU-Untersuchungsausschuss

05.11.2014 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Hintergründe der Mordserie der rechtsterroristischen Vereinigung NSU soll ein Untersuchungsausschuss des Landtags aufklären. Alle Abgeordneten des Parlaments stimmten am Mittwoch dem interfraktionellen Antrag zur Einsetzung des parlamentarischen Gremiums zu.

Dieser hat den Auftrag, umfassend aufzuklären, in welcher Weise die Justiz- und Sicherheitsbehörden auf der Landesebene und mit den Bundesbehörden und anderen Länderbehörden in Zusammenhang mit der Aufklärung des Mordes an der Polizeibeamtin Michele Kiesewetter, dem versuchten Mord an ihrem Kollegen und der NSU-Mordserie zusammengearbeitet haben und welche Fehler und Versäumnisse es bei der Aufklärung der Straftaten in Baden-Württemberg im Rahmen der Ermittlungsarbeit und des Zusammenwirkens der Sicherheitsbehörden gab und welche Verbindungen des NSU und seiner Unterstützer nach Baden-Württemberg tatsächlich bestanden haben. Die Behörden, auch im Südwesten, hatten jahrelang nicht erkannt, dass es sich bei Mördern um Rechtsextremisten handelte. Bis zum 31. Oktober 2015 soll der Ausschuss dem Landtag berichten.

Gleichzeitig ruht die Arbeit der am 30. April dieses Jahres eingesetzten Enquetekommission „Konsequenzen aus der Mordserie des NSU – Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg – Handlungsempfehlungen für den Landtag und die Zivilgesellschaft“. Zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde einstimmig Wolfgang Drexler (SPD) gewählt; als stellvertretender Vorsitzender erhielt Thomas Blenke (CDU) ebenfalls alle Stimmen.

Starke Vorbehalte gegen Grünen-Vorschlag

Die Wahl der von den vier Fraktionen bestimmten Ausschussmitglieder fand in geheimer Abstimmung statt. Dabei verweigerten mindestens zwei Abgeordnete der Regierungsfraktionen dem Grünen-Vorschlag bei 68 Ja-, 65 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung die Zustimmung. Gegen die Abgeordneten Hans Ulrich Sckerl, Willi Halder und Daniel Lede Abal hatte es wegen deren Verhalten in der Enquetekommission starke Vorbehalte gegeben. Die Grünen-Fraktion beharrte trotz der Lügen-Vorwürfe aus Oppositionskreisen auf ihrem Personalvorschlag.

„Die Bedrohung von Extremisten in real in unserem Staat“, begrüßte CDU-Fraktionschef Peter Hauk die Einsetzung. Die Arbeit der Enquete sei unter keinem guten Stern gestanden. Hauk kritisierte insbesondere das „äußerst fragwürdige Verhalten“ der Grünen-Abgeordneten Willi Halder, Daniel Lede Abal und Hans Ulrich Sckerl. Das Scheitern der Enquete trage ihre Namen. Der Ausschuss müsse nicht nur die Mordserie und die dahinter steckenden Netzwerke aufklären, sondern auch behördliches Versagen, formulierte Hauk die Erwartungen. Er kündigte an, die CDU-Fraktion werde den  Personalvorschlag der Grünen gegen die sonstige parlamentarische Gepflogenheit nicht mittragen und begründete dies mit dem „unerträglichen, selbstherrlichen Verhalten“ der Grünen, das er als „schwere Hypothek“ für den Untersuchungsausschuss sieht.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann räumte ein, dass der Enquete-Kommissions-Vorsitzende Willi Halder (Grüne) gegen parlamentarische Gepflogenheit „verstoßen“ habe. Auch Lede Abal habe sich für seine Lügen entschuldigt. Ihr Kollege Sckerl habe sich indessen „nichts zu Schulden kommen lassen“.

Untersuchungsausschuss startet mit Hypothek

Aus Sicht von Claus Schmiedel (SPD) startet der Untersuchungsausschuss mit der „Hypothek“, dass die Enquete gescheitert ist. Dennoch „wolle und dürfe“ man sich ein Scheitern des Ausschusses nicht leisten. Denn das Gremium soll auch mögliche Verbindung in die Südwest-Polizei hinein beleuchten. In den von Wolfgang Drexler (SPD) geleiteten Ausschuss hegten die SPD-Fraktion und die Öffentlichkeit „hohe Erwartungen“, sagte der SPD-Fraktionschef. Deshalb sollten sich um die Sache kümmern und nicht „um Nebenkriegsschauplätze“. Es müsse so viel Licht wie möglich in die Sache gebracht werden, in die „Baden-Württemberg leider verstrickt“ ist.

Auch Ulrich Goll (FDP) begrüßte den Anstoß der SPD, nach der havarierten Enquete einen Untersuchungsausschuss zu installieren. Allerdings würden die Grünen „dem Gaul einen Mühlstein umhängen“, den dieser nicht tragen kann. Zwei Grünen-Abgeordnete hätten in der Enquete gelogen, und „der Drahtzieher stand hinter den Lügen“. Sckerl habe Halder und Lede Abal aufgefordert, diese Lügengeschichten zu erzählen. „Und dieser Drahtzieher soll nun in den Ausschuss“, sagte Goll kopfschüttelnd. Dies sei eine Provokation. Er warf den Grünen vor nach dem Motto „was beliebt ist, ist auch erlaubt“ vorzugehen und zwar immer zu beteuern, hohe Maßstäbe anzulegen: „Aber dies leider nur bei den anderen.“ Dieses Mal „bläst Ihnen der Wind der öffentlichen Meinung ins Gesicht“, sagte Goll. Auch für „die grünen Freunde der doppelten Moral“ dürfe nicht alles erlaubt sein, was beliebt, kritisierte der frühere Justizminister.


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Titelbild Staatsanzeiger