Viel Mitgefühl und etwas Parteipolitik beim Thema Flüchtlinge

29.04.2015 
Redaktion
 

Stuttgart. Über ihr tiefes Mitgefühl und ihre Scham angesichts des Todes von Flüchtlingen im „Massengrab Mittelmeer“ sind sich alle Fraktionen einig. Aber in die von der Fraktion der Grünen beantragte Aktuelle Debatte zum Thema „EU-Flüchtlingsgipfel: Die Europäische Union braucht eine humane und faire Flüchtlingspolitik!“ zu Beginn der Landtagssitzung am Mittwoch spielte zum Schluss doch noch Parteipolitik hinein.

Für Manfred Lucha hat „die EU-Flüchtlingspolitik versagt“. Im Vergleich zu 2014 seien in den ersten vier Monaten 2015 30 Mal mehr Flüchtlinge ertrunken, betonte er. Allein 800 in der „bisher schlimmsten Flüchtlingstragödie“ vor einer Woche. „Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie das Mittelmeer zum Massengrab wird“, so Lucha unter Applaus.

Die EU müsse als Werteunion Leben retten, Perspektiven bieten und dürfe sich nicht abschotten. Die Ergebnisse des EU-Sondergipfels vom 23. April bezeichnete er als „völlig unzureichend“. Er forderte ein für das gesamte Mittelmeer geltendes Seenotrettungsprogramm wie das im Oktober 2014 aus finanziellen Gründen eingestellte Programm „Mare nostrum“. Das aktuelle Programm „Triton“ gilt nur in der 30-Meilen-Zone.

Zugleich beklagte Lucha die fehlende innereuropäische Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme. Er forderte eine Ablösung der freiwilligen durch vertraglich verbindliche Regelungen. Außerdem müsse ein europäisches „Resettlement-Programm“ zur Ansiedlung von Flüchtlingen gestartet werden. Die EU müsse einen Zugang nach Europa über den sicheren Landweg schaffen und ein Bleiberecht für gut ausgebildete und motivierte Menschen mit Anspruch auf Asyl.

CDU: „20 Staaten dürfen sich nicht einfach wegducken“

Für Wolfgang Reinhart von der CDU gehen „die Bilder aus dem Massengrab Mittelmeer bis an die Wurzel der Seele“. Er will eine faire Lastenverteilung in Europa. „20 Staaten dürfen sich nicht einfach wegducken“. Er forderte auch eine bessere Überwachung der Seegrenzen. Immerhin habe sich die Zahl der Menschen, die über die Mittelmeerroute kommen, innerhalb eines Jahres von 40.000 auf 170.000 vervierfacht. 

Reinhart will die Schleuser bekämpfen, die durch die verbesserte Seenotrettung ermuntert würden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Kriminelle aus der Not anderer Geschäfte machen“, sagte Reinhart. Er will gesteuerte Zuwanderung mit Quotenregelung sowie Migrationsberatung vor Ort. Er dankte für „die große Leistung unserer Landsleute in Baden-Württemberg“ bei der Flüchtlingshilfe. Das Thema hält er ungeeignet „für parteipolitische Spiele“.

Auch SPD-Vertreterin Rita Haller-Haid bedankte sich bei den Menschen in Baden-Württemberg, „die so viel Empathie aufbringen“ und aus „Wut, Empörung und Trauer“ gegen die EU- Flüchtlingspolitik demonstrieren. Für Haller-Haid hat „Europa absolut versagt“.

Für sie ist das Rettungsprogramms „Mare nostrum“ alternativlos. Hilfe sei an der Küste Libyens notwendig. Die Schleuserkriminalität zu bekämpfen, indem man Schleuserschiffe versenkt, sei fragwürdig. Mit Manfred Lucha ist sie darin einig, dass die Menschen trotzdem kommen, auch in schlechteren Booten. Sie forderte legale Zuwanderung und die Bekämpfung der Fluchtursachen.

Andreas Glück von der FDP gab zu bedenken, dass der Landtag nur beschränkt Einfluss habe. Er forderte die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Initiative für ein Zuwanderungsrecht mit einem Punktesystem zu starten. Dem Land warf er vor, dass sie den FDP-Antrag nicht entsprechend gewürdigt habe.

Europaminister Peter Friedrich (SPD) hält nichts von einer „Show-Demonstrations-Initiative“. Er setzt auf das gemeinsame Vorgehen der Bundesländer. Eine schnelle Lösung, wie Glück sie fordert, sieht er nicht.

Friedrich ist für „eine gemeinsame europäische Politik“

Angesichts unklarer Zuständigkeiten in der EU forderte er „eine gemeinsame europäische Politik“. Die Lage empfindet er als „beschämend“. Statt Grenzsicherung stärker zu finanzieren, will er Fluchtursachen besser bekämpfen, zum Beispiel durch Entwicklungszusammenarbeit.

Weil das Asylrecht nicht ausreiche, fordert er ein Zuwanderungsgesetz. Er wetzt sich für Solidarität in Europa bei der Aufnahme von Flüchtlingen über Quoten ein, was für Deutschland aber keine Entlastung bringe.

Der CDU warf Friedrich Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor. Reinhart sieht den „Konsens in der Bevölkerung“ in Gefahr. Gegen seinen Vorwurf, die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit seien gekürzt worden, verwahrte sich Friedrich, der im Übrigen die Debatte lobte: Die Aussprache „war sehr sachlich und über Parteigrenzen verbindend“.


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