Stuttgart. Mit einer Bundesrats-Initiative will die Landesregierung den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen eindämmen. Damit wolle Grün-Rot Wettbewerbsverzerrung vermeiden, Lohndumping bekämpfen und eine Aushöhlung des Streikrechts verhindern, sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid am Donnerstag in der Aktuellen Debatte „Gute Arbeit für Baden-Württemberg - den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen bekämpfen“ im Stuttgarter Landtag. Der SPD-Politiker warf der CDU vor, dies auf Bundesebene zu blockieren. Die Debatte am letzten Plenartag der 15. Legislaturperiode des Parlaments wirkte phasenweise wie ein Schaulaufen für den Landtagswahlkampf.
Schmid erklärte, Leiharbeiter bekämen weniger Lohn und Urlaub als Festangestellte und verdienten bis zu 43 Prozent weniger als Stammbeschäftigte. Deshalb dürfe Leiharbeit „kein strukturelles Element“ sein. Grün-Rot will im Bundesrat erreichen, dass die Leiharbeit auf 18 Monate begrenzt wird, nach neun Monaten gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird und der Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher verboten wird. Auch die Vorrats-Verleih-Erlaubnis müsse abgeschafft werden, forderte Schmid.
Der Minister verwies auf die mit 4 Prozent im Januar niedrigste Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg im Bundesvergleich. „Wir haben im Land bessere Arbeitsbedingungen als je zuvor“, sagte Schmid. Zudem habe der Mindestlohn „keinen Arbeitsplatz zerstört“. Grün-Rot gehe es weiterhin um „gute Arbeit“ für Unternehmen und Beschäftigte.
Wie Schmid lehnte auch Rainer Hinderer (SPD) die Leiharbeit nicht grundsätzlich ab. Sie sei „eine gute Sache“ in verschiedenen Situationen. Auch Werkverträge seien „zunächst nicht zu beanstanden“. Es gebe aber Fehlentwicklungen. Hinderer nannte als Beispiel, wenn Leiharbeit dauerhaft sei und die Stammbelegschaft dadurch verdrängt wird. Oder wenn damit Tarifverträge umgangen werden sollen. 100 000 Menschen im Südwesten seien mit Leiharbeitsverträgen beschäftigt und hätten damit weniger Verdienst, keine Altersversorgung und wenig Aussicht auf unbefristete Beschäftigung. Auch Werkverträge würden oft mit der Absicht abgeschlossen, um Tarifverträge zu umgehen. „Dies ist sozial ungerecht“, konstatierte Hinderer. Deshalb müsse bei Lohndumping reagiert werden, es sei Zeit für „vernünftige Regeln“. Als positive Beispiele nannte er BMW und Porsche, die entsprechende Vereinbarungen getroffen haben.
Auf den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen wies auch Andrea Lindlohr (Grüne) hin. Beide müssten „sozialverträgliche Instrumente“ sein. Problematisch sei, wenn die Stammbelegschaft durch Werkverträge ersetzt werde. „Klassische Werkverträge sind völlig unbedenklich“, stellte Lindlohr fest. Nach Meinung der Grünen-Abgeordneten sollten Betriebsräte mehr Rechte bekommen; zudem müsse „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sein. Sie forderte, die Bundesregierung solle Regelungen treffen, für einen fairen Wettbewerb und ein modernes Arbeitsrecht. Man wolle keinen unfairen Wettbewerb zwischen Unternehmen, die korrekt handeln, ihren Konkurrenten, die Sozialversicherungsbeiträge hinterziehen.
Der CDU-Abgeordnete Felix Schreiner bezeichnete die von der SPD beantragte Debatte als „Schaufenster-Posse“ und „Scheindebatte“. Die SPD habe mit Andrea Nahles die zuständige Arbeitsministerin in Berlin; dort müsse gehandelt werden. Wenn die SPD nun im Landtag von Baden-Württemberg ein Thema behandele, das in Berlin nicht von Nahles umgesetzt werde, sei der Vorstoß „ein Eigentor“. Schreiner betonte, auch die CDU setze sich dafür ein, dass Leiharbeit und Werkverträge „kein Mittel zum Lohndumping“ sei. Man brauche eine „gesunde Balance“ zwischen dem Schutz der Arbeitnehmer und den Interessen der Wirtschaft. Die Betriebe dürften aber nicht „unter Generalverdacht“ gestellt werden.
Jochen Haußmann (FDP) warf der Großen Koalition in Berlin vor, mit dem Mindestlohn eine „unsägliche Bürokratie“ und „einen Hemmschuh“ geschaffen zu haben. Dafür treffe die SPD die „Hauptverantwortung“. Der Liberale kritisierte die Genossen: „Sie legen Hand an die Erfolgsgarantien der Wirtschaft.“ Die bestehenden Regelungen seien ausreichend. Außerdem seien nur zwei Prozent der Erwerbstätigen in Zeitarbeit; von diesen hätten 30 Prozent keine Ausbildung.