Etablierte Parteien stellen sich geschlossen gegen Rassismus und Antisemitismus

09.06.2016 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Auseinandersetzungen von Grünen, CDU, SPD und FDP mit der neu in den Landtag eingezogenen Alternative für Deutschland werden schärfer. Wie schon in der Debatte über die Regierungserklärung am Mittwoch attackierten die Fraktionschefs der etablierten Parteien auch am Donnerstag in der von den Grünen beantragten aktuellen Debatte „Modernes und weltoffenes Baden-Württemberg: Hier ist kein Platz für Diskriminierung und Antisemitismus“  die AfD.

Im Kreuzfeuer der Kritik stand dabei der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen. Andreas Schwarz (Grüne) forderte Meuthen auf, „klare Kante zu zeigen“  und sich von den Aussagen des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon zu distanzieren, dem antisemitische Äußerungen vorgeworfen werden. Die Haltung von Gedeon sei „klar rassistisch, völkisch und antisemitisch“, konstatierte der Grüne. Meuthen solle erklären, dass Diskriminierung und Antisemitismus in der AfD-Fraktion keinen Platz haben. Doch Meuthen griff nicht in diese Debatte ein.

Statt Meuthen spricht Gedeon für die AfD

Statt dessen trat Gedeon für die AfD ans Rednerpult – jener Parlamentarier, den die AfD am 21. Juni eigentlich wegen der umstrittenen Buch-Passagen aus der Fraktion ausschließen möchte. „Ich bin kein Antisemit. Ich hetze nicht gegen Juden. Ich verunglimpfe sie nicht, ich verachte sie nicht, nirgendwo“, sagte der pensionierte Facharzt. Er leugne auch nicht den Holocaust; dieser sei ein „entsetzliches Verbrechen“. Und er halte „mit Nachdruck“ am Existenzrecht Israels fest. Gleichzeitig warnte Gedeon davor, dass ein „neuer Antisemitismus in gefährlicher Weise nicht zuletzt über die muslimische Zuwanderung in unsere Gesellschaft eindringt“.

Den SPD-Fraktionschef Andreas Stoch machte die Rede Gedeons „sprachlos“. Was sei dies für eine Botschaft, wenn für die AfD ein Abgeordneter spreche, den seine Fraktion ausschließen wollen? Stoch warf Meuthen vor, nicht der Biedermann zu sein: „Sie sind ein Brandstifter.“ Die SPD werde „Hass, Zwietracht und ein Auseinanderdividieren“ der Gesellschaft nicht zulassen.

Auch Wolfgang Reinhart (CDU) sieht in den „Pamphlets“ von Gedeon „eine Gesinnung, die einen Gärprozess“ darstellt. Der CDU-Fraktionschef sprach von „knallhartem systematischem Antisemitismus“, der direkt an die feindselige Ideologie des Neonazismus anschließe. Er habe bei der AfD mittlerweile das Gefühl und die Überzeugung, dass es „System geworden ist, erst zu provozieren, um dann wieder zu sagen: Das war ein Missverständnis“. Diesen „verhängnisvollen Tanz auf den Leitplanken der pluralistischen Demokratie“ werde die CDU nicht durchgehen lassen. Die AfD inszeniere sich als „Tabubrecher und Sprachrohr“ einer schweigenden Mehrheit – und rudere dann wieder zurück.

Stellvertretender Landtagspräsident erteilt AfD-Abgeordneten Stein Rüge

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke befürchtet, dass sich das „hässliche Gesicht von Rassismus und Antisemitismus“ im Landtag von Baden-Württemberg jetzt doch wieder zeige. Gedeon habe in seinem Buch im Zusammenhang mit dem Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin geschrieben, dass dieses der Erinnerung an „gewisse Schandtaten“ und der „Holocaust eine Zivilreligion des Westens“ sei. Rülke hielt ihm deshalb vor: „Ja, was ist das denn anderes als die Relativierung des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte?“ Wenn Gedeon sich als Antizionist bezeichne, stelle er das Existenzrechts Israels infrage.

Mitten in die Ausführungen des Liberalen verstieg sich der AfD-Abgeordnete Udo Stein zu dem Zwischenruf: „Hier ist das Urteil schon gesprochen. Das ist schlimmer als in der Nazizeit!“. Die Empörung darüber war in allen Fraktionen groß. Der stellvertretende Landtagspräsident Wilfried Klenk (CDU) erteilte Stein offiziell eine Rüge, Wolfgang Reinhart kommentierte den Ausruf mit: „Das ist unsäglich. Das ist eines Parlamentarier unwürdig.“ Stein, Abgeordneter des Wahlkreises Schwäbisch Hall, entschuldigte sich später „für diesen Vergleich“. Auch Steins Fraktionskollege Heinrich Fichtner entschuldigte sich für „den Fehltritt meines Fraktionskollegen Stein“.  Eine solche Äußerung könne und dürfe es in diesem Parlament in der Tat nicht geben. „Dies ist zu verurteilen.“  Für Ulrich Goll (FDP) war dies nicht genug. Einer wie Gedeon gehöre hier raus“, sagte der ehemalige Justizminister, „und Herr Stein am besten gleich hinterher.“ 


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Titelbild Staatsanzeiger