Landtag einig über die Förderung des autonomen Fahrens und der Digitalisierung der Mobilität

21.07.2016 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Im Landtag herrscht Einigkeit darüber, dass in Baden-Württemberg das autonome Fahren und die Digitalisierung der Mobilität eingeführt und gefördert  werden soll. In der von der Grünen-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Autonomes Fahren und Digitalisierung der Mobilität – Auswirkungen auf das Verkehrssystem der Zukunft“ sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), die Digitalisierung im Verkehr bringe Verbesserungen hinsichtlich Sicherheit, Stauvermeidung, Umwelt- und Klimaschutz und böte viele Vorteile für die Menschen, die mittels dieser Zukunftstechnik ohne Stress unterwegs sein könnten. Dazu sei es notwendig, auf den Straßen im Südwesten die entsprechenden Test-Infrastrukturen aufzubauen. Vor einer flächendeckenden Einführung müssten zudem technische und juristische Hindernisse beseitigt werden.

In Zukunft werde die Straße eine andere sein, Busse und Bahnen anders und der Schienenverkehr nicht mehr wie bisher, erklärte Hermann. Die Digitalisierung werde den Verkehrsbereich bestimmen. Dem Minister stellt sich allerdings die Frage, ob die Menschen „mitkommen“ oder „in alten Mustern verharren“. Er werde keine „wert- und normfreie Verkehrspolitik“ betreiben, sondern die Mobilität insgesamt verbessern und dabei auch die Umwelt schützen. 

Haftungsfragen noch ungeklärt

Zuvor hatten Abgeordnete aller Fraktionen das autonome Fahren und die Digitalisierung begrüßt. Baden-Württemberg müsse auf diesem Gebiet Vorreiter sein, sagte Kirsten Lehnig (Grüne). Dadurch würde die Sicherheit auf den Straßen deutlich verbessert, effizienteres Fahren sorge zudem für Umweltschutz. „Der Mensch verursacht Unfälle, nicht die Maschine.“ Durch die gleichzeitige Vernetzung von Verkehrsmitteln werde auch das Car-Sharing massiv verbessert; dadurch brauche man weniger des gerade in Städten knappen Parkraums. Kirsten Lehnig plädierte dafür, Vertrauen in die neue Technik aufzubauen: „Wir brauchen Akzeptanz.“ Zu klären sei zuvor die Haftungsfragen bei Unfällen.

Das autonome Fahren sei vielversprechend, urteilte Felix Schreiner (CDU). Dadurch werde nicht nur der Risikofaktor Mensch ausgeschaltet, sondern auch Staus könnten vermieden werden. Skeptiker im Land der Autobauer und Autofahrer würden die „Entmündigung des Autofahrers“ und den „Verlust eines Stücks Freiheit“ kritisieren. „Die Wahrheit liegt in der Mitte“, sagte Schreiner. Das Land stehe vor einer echten Revolution der Mobilität. Daher müssten die politische, rechtliche und ethische Diskussion in Gang gesetzt und digitale Strukturen geschaffen werden. Auch er mahnte die Klärung rechtlicher Fragen hinsichtlich Datenschutz und Haftung an. Dennoch sieht er Chancen „für das Erfinderland“ des Autos, wo hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. Der CDU-Verkehrsexperte glaubt, dass das autonome Fahren die Sicherheit erhöht und die Unfallzahlen dramatisch gesenkt werden können. An der Reduzierung von Staus zweifelt er. Derzeit entstehe durch Staus in Deutschland ein volkswirtschaftlicher Schaden zwischen 25 und 100 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden Liter würde „unnötig verblasen“, in Stuttgart allein 27 Millionen Liter.

Chance für ältere Menschen, länger mobil zu sein

Martin Rivoir (SPD) sprach von einer „Zeitenwende fürs Autofahren“. Der Weg zum autonomen Fahren sei aber noch sehr weit. Er glaubt, dass der aufmerksame Fahrer „an Bord sein muss“, dass der Fahrer ein Buch lese oder Karten spielen während der Fahrt, dauere noch. Rivoir sieht Chancen für die ältere Gesellschaft. Ältere könnten länger mobil sein, assistiertes Fahren sei auch im hohen Alter möglich. Im Schwerlastverkehr könnten Unfällen durch Übermüdung von Fahrern vermieden werden. Durch gemeinschaftliches Fahren könnte auch der individuelle Nahverkehr profitieren. Kritisch äußerte sich der SPD-Politiker zu dem von der Landesregierung ausgewählten Testfeld Karlsruhe; er plädierte dafür, auch die in der Ausschreibung unterlegenen Regionen Stuttgart/Ludwigsburg und Ulm an der Testphase zu beteiligen. „Karlsruhe war den guten Angeboten das beste“, berichtete dazu Minister Hermann. Das Land werde für das Testfeld 2,5 Millionen Euro zusätzlich bereit stellen. Er sagte, auch Wissenschaftler aus Ulm und Stuttgart/Ludwigsburg könnten sich zuschalten, um das Projekt zu erweitern.

Die FDP wünscht sich einer „Masterplan für nachhaltige Mobilität“. Unbedingt müssten alle Verkehrsteilnehmer mitgenommen werden, also auch Ältere, damit gerade diese mit den Innovationen Schritt halten könnten, forderte der Liberale Jochen Haußmann. Bei 7,6 Millionen Fahrzeugen in Baden-Württemberg und einer Steigerung im Pkw- und Güterverkehr von 2,5 Prozent bringe digitale Mobilität Vorteile.

Für die Deutschen sei es besser, autonom zu fahren; denn auf den Autobahnen herrsche Krieg, konstatierte Bernd Gögel (AfD). Aus seiner Sicht müsse vor der Einführung in Deutschland aber die EU davon überzeugt werden, damit entsprechende Gesetze umgesetzt werden können. Gögel erinnerte daran, dass im Wirtschaftverkehr gut eine Million Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Außerdem warf er der Landesregierung vor, Politik für die globalen Unternehmen zu machen und den Mittelstand im Südwesten zu vernachlässigen.  Die 14 fraktionslosen Abgeordneten befürworten nach Aussage von Anton Baron die intelligente Mobilität. Dazu seien ein digitales Straßenverkehrsnetz und auch die Automatisierung der Schienenverkehre notwendig. Dies sei gerade für den ländlichen Raum ein „zentraler Infrastruktur-Faktor“.  


Ihre Ansprechpartner

Sie haben Fragen oder Anregungen?
Hier finden Sie Ihren Ansprechpartner.

Kontakt

Titelbild Staatsanzeiger