Body-Cam kommt trotz datenschutzrechtlicher Bedenken

12.10.2016 
Redaktion
 

Stuttgart. Der Landtag hat am Mittwoch mit breiter Mehrheit der Einführung der Body-Cam zugestimmt. Zunächst soll sechs Monate lang soll sie von der Bereitschaftspolizei getestet werden. Sollte dieser Test zufriedenstellend verlaufen, ist an eine flächendeckende und dauerhafte Verwendung gedacht. Die SPD, die dem Gesetz als einzige Fraktion nicht zustimmte, bemängelte die mangelhafte Berücksichtigung des Datenschutzes.

Dabei fußt das Gesetz auf einem Gesetzentwurf, der noch von Ex-Innenminister Reinhold Gall (SPD) erarbeitet worden war. Der Unterschied: Im neuen Gesetzentwurf werden auch jene 60 Sekunden, die einem Angriff auf einen Polizisten vorausgehen, aufgezeichnet. Dieses „Pre-Recording“ geht dem Landesdatenschutzbeauftragten und der SPD jedoch zu weit: Sie sehen dadurch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet.

Galls Nachfolger Thomas Strobl (CDU) sieht dies anders. In der Abwägung habe mehr für das Pre-Recording gesprochen, das es einem Polizisten ermöglicht, in kritischen Situationen sich zunächst um seine persönliche Sicherheit zu kümmern, dann die Lage zu erfassen und dann auf den Knopf der Body-Cam zu drücken. Denn beim Pre-Recording wird auch die Minute erfasst, die dem Angriff auf den Polizisten vorausgeht.

„Wir sind es unserer Gesellschaft schuldig, dass wir uns nicht an die Verrohung gewöhnen“, sagte Strobl und wies darauf hin, dass beide Gesetzentwürfe – jener der SPD und jener von Grün-Schwarz – dasselbe Ziel verfolgten. Außerdem erinnerte er daran, dass der Innenausschuss seinem Gesetzentwurf „den letzten Schliff gegeben“ habe.

Auf den Ausschuss geht beispielsweise die exakte Angabe der Speicherzeit für das Pre-Recording zurück: 60 Sekunden dürfen nicht überschritten werden. Das Land betrete kein Neuland, da etwa Hessen das Pre-Recording bereits eingeführt habe.  Der dortige Landesdatenschutzbeauftragte haben im Übrigen anders als sein Kollege in Baden-Württemberg keine Bedenken gegen das Pre-Recording geäußert.

Für das neue Gesetz machte sich auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Uli Sckerl, stark, obwohl seine Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode noch große datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Body-Cam hatte. Sckerl verwies darauf, dass die Body-Cam vorläufig nur getestet werde. „Nach den Diskussionen der vergangenen Wochen habe ich Anlass, darauf hinweisen.“ Noch sei offen, ob man dem hessischen Beispiel folgen werde oder sich wie Nordrhein-Westfalen auf eine Body-Cam ohne Pre-Recording beschränke. „Wir halten diesen Vorschlag rechtsstaatlich für vertretbar“ – auch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

In seiner Jungfernrede machte Siegfried Lorek (CDU) klar, dass für ihn das Pre-Recording entscheidend für den Erfolg der Body-Cam ist: „Nur dadurch ist es möglich, präventiv Gewalt gegen Polizei zu vermeiden.“ Lorek ist selber Polizeibeamte; die zunehmende Gewalt gegen Polizisten könne er aus eigenem Erleben bestätigen.

Nach Ansicht von Hans Peter Stauch (AfD) reichen die 60 Sekunden jedoch nicht aus. Er gebe die Möglichkeit, Pre-Recording in der Cloud abzuspeichern. Gleichwohl lobte er den Innenminister: „Endlich gibt es für Herrn Strobl etwas Vorzeigbares.“ Er erinnerte daran, dass die Zahl der Angriffe 2015 erneut um sechs Prozent gestiegen sei und dass allein seit der ersten Lesung des Gesetzes im Sommer 1160 derartige Fälle angezeigt worden seien. „Die Verrohung der Gesellschaft nimmt in erschreckendem Maße zu“, resümierte der AfD-Abgeordnete.

Enttäuscht vom ehemaligen Koalitionspartner, den Grünen, zeigte sich Sascha Binder (SPD): Sckerl habe sich in der Debatte „hin- und hergewunden“ und nehme den Landesdatenschutzbeauftragten nicht ernst. „Unser Gesetzentwurf ist besser als der Ihrige“, sagte der Sozialdemokrat und bat um Zustimmung. Anders als Grün-Schwarz stehe die SPD mit ihrem Vorschlag „im Einklang mit Verfassung und Datenschutz“.

Ulrich Goll (FDP) machte klar, dass seine Partei beiden Gesetzentwürfen zustimmen könne. „Der Handlungsbedarf ist völlig klar.“ Um dies festzustellen, „brauchen wir keine Rechtspopulisten von der AfD“. Es sei letztlich eine Frage der Abwägung – und da sei der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung hinzunehmen, weil der Nutzen „auf der Hand“ liege.


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