Kritik an Festnahme- und Entlassungswelle in der Türkei

10.11.2016 
Redaktion
 

Stuttgart. Für die CDU wäre die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei gleichbedeutend mit einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Das machte Innenminister Thomas Strobl am Donnerstag im Landtag deutlich. „Wenn die Türkei die Todessstrafe einführt, dann schlägt sie das Buch zu, dann gibt es keine weiteren Kapitel“, sagte er.

Justizminister Guido Wolf (CDU) ergänzte: Es gibt rote Linien in unserem gemeinsamen Europa, die nicht überschritten werden dürfen.“ Die Reaktion auf den Putsch im Juli dürfe nicht in Willkür ausarten. Es gebe es keine Alternative zu einer rechtsstaatlichen Aufarbeitung“.

„Ein kompletter Abbruch würde die westlichen Kräfte allein lassen“

Damit setzte die CDU in der von der AfD beantragten Debatte andere Akzente als die Grünen und die FDP. Ein Abbruch der Beitrittsverhandlungen würde Erdogan in die Hände spielen“, sagte Daniel Lede Abal (Grüne). „Ein kompletter Abbruch würde die westlichen Kräfte allein lassen“, ergänzte Gerhard Aden (FDP). Derzeit sei ein Beitritt jedoch nicht möglich, so Aden. Lede Abal sprach sich für ein Einfrieren der Verhandlungen aus, solange Oppositionspolitiker im Gefängnis säßen.

Alle Redner verurteilten die Festnahme- und Entlassungswelle. Allerdings lehnten alle anderen Fraktionen den Vorschlag von Emil Sänze (AfD) ab, dem Staat „den Geldhahn abzudrehen“. Zehn Prozent der türkischen Exporte gehen Sänze zufolge nach Deutschland. 60 Prozent der Investitionen in die Türkei kämen aus der EU. Diese Zahlungen müssten „sofort gestoppt werden“. Deshalb forderte er ein Handelsembargo.

Nach Auffassung von Sascha Binder (SPD) würde dies jedoch zu weit gehen. An Sanktionen sei erst zu denken, wenn sich ein Staat kriegerisch auszudehnen versuche, nicht jedoch, wenn es um Kritik an dessen Innenpolitik gehe.

Binder verurteilte wie auch Strobl und Lede Abal die Forderung des türkischen Generalkonsulats in Stuttgart, gegen Gülen-Anhänger auf deutschem Boden tätig zu werden. „Gegen wen in Baden-Württemberg ermittelt wird, das wird nicht in Ankara entschieden“, sagte Strobl.

„Die Freiheit ist das Leben des Türken“

Der Innenminister wandte sich in seiner Rede direkt an die in Baden-Württemberg lebenden Menschen aus der Türkei. „Die Freiheit ist das Leben des Türken“, zitierte er den Gründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, und fuhr fort: „Lasst euch diese Freiheit nicht nehmen.“ Strobl wies auf die langjährigen deutsch-türkischen Beziehungen hin und ergänzte: „Die Türkei ist für uns mehr als die Regierung Erdogan.“

Aden verglich die aktuelle Situation in der Türkei mit dem Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. So hätten wie nach dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei bereits Verhaftungslisten vorgelegen. Für Aden hat die Entwicklung in der Türkei auch mit der „verunglückten Flüchtlingspolitik“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu tun. „Nur, weil man die Türkei bei Laune halten will“, werde auf offene Kritik verzichtet - dies sei ein „Armutszeugnis“. Aden empfiehlt stattdessen, Frontex zu stärken und mit hoheitlichen Befugnissen auszustatten. Dann sei man nicht mehr auf die Unterstützung der Türkei angewiesen.

Mehrere Sprecher zeigten sich besorgt darüber, dass „innertürkische Konflikte auf unseren Straßen“ ausgetragen würden, wie Sänze es formulierte. „Klar muss sein - der innertürkische Konflikt kann nicht bei uns ausgetragen“, sagte auch Binder und ergänzte: „Gewalttätige Auseinandersetzungen dulden wir nicht“. Für Strobl „ist eine aufgeheizte Stimmung entstanden“: „Gewaltsame Auseinandersetzungen dulden wir auf keinen Fall“. Auch dann, wenn Linksextremisten im Umfeld friedlicher kurdischer Proteste „ihren Drang nach Randale“ befriedigten.


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Titelbild Staatsanzeiger