AfD-Angriff auf öffentlich-rechtlichen Rundfunk prallt ab

01.12.2016 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP haben im Landtag einen Antrag der AfD auf Kündigung aller öffentlich-rechtlicher Rundfunkstaatsverträge abgelehnt.  Deutschland habe einen sehr großen und sehr teuren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nach Ansicht mancher Experten den teuersten Rundfunk der Welt, hieß es im Antrag der AfD.

AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen ging in der Debatte noch weiter: Die Rundfunkanstalten hätte 8,3 Milliarden Euro im Jahr 2014 eingenommen, die Tendenz sei steigen. „Von der geforderten Staatsferne, von wirklicher Unabhängigkeit, von journalistischer Ausgewogenheit, von Objektivität, Transparenz und einem echten Meinungspluralismus ist kaum etwas zu spüren“, wetterte der AfD-Politiker. Seine Kontrollpflichten nehme der Rundfunk kaum noch angemessen wahr und verkomme mehr und mehr zum politischen Sprachrohr. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei „Höfling und Steigbügelhalter des politischen Establishments“ und „Instrument der herrschenden Kräfte zur Indoktrination der Massen“.

Die Medienräte würden zu einem Drittel aus Repräsentanten der etablierten Parteien bestehen, kritisierte Meuthen weiter. Die GEZ-Beitragszahler hätten dagegen keine Vertretung im Rundfunkrat. Zutiefst den Grundsätzen einer freien Gesellschaft widersprechen würde aber, Menschen dazu zu zwingen, für etwas zu zahlen, das sie nicht wollen. Rundfunkempfang seit längst ein privates und kein öffentliches Gut. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe ausgedient. „Wir brauchen ihn nicht mehr“, lautete Meuthens Fazit.

„Ihr Verhältnis zu den Medien ist höchst widersprüchlich“, entgegnete Alexander Salomon (Grüne). Vorbild der AfD seien Propagandasender wie Russia Today. Für die Grünen sei jedoch ein unabhängig, sachlich und informativ berichtender Rundfunk eine große Stärke. „Es ist das richtige Bollwerk gegen Populismus und Parolen.“ Deshalb werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegen alle Kräfte verteidigt, die ihn abschaffen und durch ein staatlich gelenktes System ersetzen wollen. Salomon sagte, wie wichtig Pressefreiheit und die Staatsferne des Rundfunks seien, zeige ein Blick auf Ungarn, Polen, Russland und die Türkei.  Er warf der AfD vor, „unsere Medien orbanisieren und erdoganisieren“ zu wollen. Der AfD-Antrag sei ein Angriff auf die Freiheit.

Die Notwendigkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergebe sich nicht nur aus Artikel 5 Grundgesetz, sondern auch aus dem Niedersachen-Urteil 1986 des Bundesverfassungsgerichts, erklärte Raimund Haser (CDU). Gerade die technische Entwicklung weg von Print- und klassischen Onlineangeboten mache es notwendig, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben, „der dasitzt und objektiv bewertet“. Die AfD schieße wieder einmal mit der Schrotflinte, dieses Mal nicht auf die Pressefreiheit, sondern einfach auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Haser räumt ein, irgendwann auch mal wieder über den Rundfunkstaatsvertrag und über Reformen reden zu müssen.

Zur Höhe der Gebühren widersprach Sascha Binder (SPD) der AfD. In der Schweiz seien jährlich 407,95 Euro und in Dänemark 332,93 Euro Gebühren fällig. In Deutschland müssten nur 210 Euro bezahlt werden. Auch die Behauptung der AfD, viele Bürger sehen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer tiefgreifenden Vertrauenskrise, konterte der SPD-Abgeordnete: In einer repräsentativen Infratest-Umfrage zur Glaubwürdigkeit von Fernsehanstalten seien ARD und ZDF von 70 Prozent der Befragten genannt worden, das Privatfernsehen nur von 21 Prozent. „Informationen bekomme ich überall, aber journalistische Inhalte nicht überall“, konstatierte Binder.

Ulrich Goll (FDP) sprach sich dafür aus, über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren. „Aber bitte nicht wie im vorliegenden Antrag, der ohne Maß und Ziel daherkommt, ohne Seriosität.“ Kinder und Jugendliche hätten ein völlig anderes Erleben: Sie machten von linearen Angeboten nahezu keinen Gebrauch mehr, läsen keine Zeitung und seien trotzdem immer perfekt informiert.

Die Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könne man nur vor dem Hintergrund des Auftrags und der Funktion des Rundfunks führen, betonte Staatssekretärin Theresa Schopper (Grüne). Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit verlange vom Gesetzgeber die Ausgestaltung einer Rundfunkordnung, in der die Vielfalt der bestehenden Meinungen möglichst breit und vollständig Ausdruck finde.  Das duale System mit privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern sei in Deutschland bewusst geschaffen worden. Allerdings sei nur den öffentlich-rechtlichen der Auftrag zugewiesen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Programmen und damit die Meinungsvielfalt sicherzustellen. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein „Grundpfeiler unseres demokratischen Gemeinwesens“ ist, sei es richtig, ihn über einen gesamtgesellschaftlichen Solidarbeitrag zu finanzieren. Nur so könne es unabhängige Angebote sowie hochwertige und breitgefächerte Informationen geben, erklärte Schopper.


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Titelbild Staatsanzeiger