Landesregierung begrüßt Bundesteilhabegesetz

14.12.2016 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die grün-schwarze Landesregierung begrüßt das neue  Bundesteilhabegesetz und wird am Freitag im Bundesrat dem bereits vom Bundestag beschlossenen Gesetz zustimmen. Das Gesetz, das die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen stärken soll, sei „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch in der von der Grünen-Fraktion beantragten aktuellen Debatte. Das Land bekomme damit statt dem „überalterten Fürsorgeprinzip jetzt eine gleichberechtigte Teilhabe“. Dies wertete Lucha als „enorm positive Entwicklung“ dieser Gesellschaft. „Richtig hilft viel“, sei der Geist des Gesetzes.

Der Minister wies darauf hin, dass Baden-Württemberg ein wichtiger Wegbereiter des Gesetzes ist. Er habe „versucht, das Gesetz zu retten“ – trotz des zunächst „unausgegorenen Gesetzentwurfs der Bundesregierung“. So sei im Südwesten schon 2003, also weit vor der UN-Menschenrechtskonvention 2009, mit der Reform des Teilhabegesetzes begonnen worden. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens habe er hundert Änderungsanträge eingebracht. Außerdem habe Baden-Württemberg die Länder im Reformprozess koordiniert. Vorarbeit habe auch die grün-rote Vorgängerregierung geleistet, denn auf Basis der von ihr praktizierten Modellprojekte sei die Reform möglich geworden. Überhaupt sei das Bundesteilhabegesetz mit der größten Anhörung im Bundestag zustande gekommen.  

Grüne, CDU und SPD bewerten Bundesteilhabegesetz positiv

Für Lucha geht es bei dem neuen Gesetz um „Respekt und Toleranz des Anderen“ sowie um die Teilhabe von Behinderten am Arbeitsleben. Er berichtete über die starke Zunahme von Menschen mit seelischen Behinderungen in Baden-Württemberg: 480 000 Menschen würden im Südwesten an Krebs leiden, die doppelte Zahl an Psychosen.

Grüne, CDU und SPD bewerteten das Bundesteilhabegesetz positiv. Wenn das Gesetz am Freitag vom Bundesrat verabschiedet werde, bekämen behinderte Menschen dank massiver Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren „endlich“ das Recht auf Teilhabe statt auf Fürsorge, sagte Thomas Poreski (Grüne). Er lobte seinen Parteifreund Lucha, trotz vieler Forderungen gerade von Verbänden, das Gesetz im Ganzen abzulehnen,  durch Vorschläge das Gesetz gerettet zu haben. Das neue Gesetz ermögliche auch dem Land Handlungsspielräume. Allerdings seien die uneinheitlichen Leistungsstandards ein Mangel. Eine Vereinheitlichung sei versäumt worden, kritisierte Poreski, der das Gesetz jedoch als „Schritt nach vorne“ bewertete.

Ulli Hockenberger (CDU) begrüßte das „moderne Teilhaberecht“, wies aber auf die finanzielle Mehrbelastung für Kommunen und Landkreise hin. In Baden-Württemberg würden mehr als eine Million Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis leben. Für diese soll Teilhabe künftig im Vordergrund stehen. Das neue Gesetz bringe Verbesserungen, beispielsweise durch ein bundesweites Beratungsgesetz. Außerdem würde das Vermögen von Behinderten und deren Ehegatten nicht mehr auf die Hilfe angerechnet. Hockenberger kündigte an, in Baden-Württemberg werde es künftig passgenaue Angebote vor Ort geben.

Das Bundesteilhabegesetz sei das „größte sozialpolitische Reformvorhaben“, sagte Sabine Wölfle (SPD), denn es ermögliche Behinderten „flexible und passgenaue Teilhabe“. Als Vorteil wertete sie den Bürokratieabbau: Die Leistungen kämen künftig aus einer Hand; bisher mussten für verschiedene Hilfen einzelne Anträge gestellt werden. Auch das Budget für Arbeit beurteilte sie positiv: Künftig können Arbeitgeber mit 75 Prozent der Lohnkosten entlastet werden, wenn sie Behinderte beschäftigen. Sie erinnerte an die Einschätzung der Behindertenbeauftragten Verena Bentele, die einst den Gesetzentwurf strikt abgelehnt habe, heute jedoch im Gesetz ein richtig gutes Fundament sehe.

FDP: Viele Fragen zur Umsetzung offen

Rainer Balzer (AfD) teilte die Euphorie nicht. Es käme auch zu Verschlechterungen. Er sieht durch die Kosten („wie viel sind für den Rest der Gesellschaft zumutbar und leistbar?“) eine Benachteiligung kommender Generationen, wie bei der Staatsverschuldung und der Rente. Außerdem findet er es schlecht, wenn das Land zur Inklusion in den Schulen gezwungen werde, da Baden-Württemberg ein funktionierendes Sonderschulkonzept habe.

Viele Fragen, auch zur Umsetzung des Gesetzes, seien offen, bemängelte Jürgen Keck (FDP). Er forderte die Landesregierung auf, die Kommen und Landkreise finanziell zu unterstützen. Keck befürchtet, dass die von der Bundesregierung zugesagten fünf Milliarden Euro nicht zweckgebunden an der Basis ankommen werden. Unklar sei ferner, wo behinderte Menschen und mit wem sie wohnen. Bleibe es bei ambulanter vor stationärer Betreuung oder würden Wohnräume bevorzugt, da sie kostengünstiger seien? Positiv bewertete der Liberale, dass die Eingliederungshilfe aus der Fürsorge der Sozialhilfe herausgelöst wird. Behinderte Menschen würden mehr Selbstbestimmung und Teilhabe und damit die gleichen Chancen wie Nichtbehinderte bekommen.


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