Land gibt so viel Geld wie nie für Bildung aus

09.02.2017 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Baden-Württemberg gibt in diesem Jahr so viel Geld wie noch nie für die Bildung aus. Der Etat des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, den der Landtag am Donnerstag in zweiter Lesung mehrheitlich genehmigte, weist mit 10,56 Milliarden Euro Gesamtausgaben einen neuen Höchststand auf. Dies beweise den hohen Stellenwert, den die Bildung bei der grün-schwarzen Landesregierung genieße, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). „Der Plan ist schlüssig.“ Die Regierungsfraktionen hätten „gemeinsam um die beste Lösung gerungen“. Allerdings trage auch das Kultusministerium „Mitverantwortung“ für eine nachhaltige Politik.

Gegenüber dem Staatshaushaltsplan 2016 ist dies ein Zuwachs von 360 Millionen Euro. Der Einzelplan 04 ist mit 22,2 Prozent der größte Etat im Landeshaushalt. 9,2 Milliarden Euro und damit 87 Prozent entfallen auf Personalkosten; Lehrer und Bedienstete in den Kultusbehörden machen 54 Prozent der Stellen des Gesamthaushalts aus.   

Schwerpunkte bei Realschulen, Ganztag und Digitalisierung

Als politische Schwerpunkte nannte Eisenmann die „längst überfällige“ Stärkung der Realschulen, die Weiterqualifizierung von Lehrkräften der Haupt- und Werkrealschulen, den Ganztagesbetrieb an Grundschulen sowie die Digitalisierung. „Die Technik muss der Pädagogik folgen“, erklärte die Ministerin zu Vorwürfen der Opposition, für die Digitalisierung an Schulen werde nicht genug getan. Da stehe zwar viel an, „wir lassen uns jedoch nicht drängen“. Immerhin könne mit 60 Deputaten an Gymnasien das Fach Informatik und damit die Digitalisierungsoffensive, für die 5,8 Millionen Euro eingeplant sind, gestartet werden. Ende März will die Ministerin mit Experten das Thema Ganztagesbetrieb erörtern.

Der Bildungsetat sorge für Verlässlichkeit und Kontinuität an den Schulen des Landes, urteilte Sandra Boser (Grüne). Ganztags-Grundschulen würden weiter ausgebaut, die Weiterentwicklung der Realschule werde fortgesetzt. Allerdings sprach Boser auch von Lehrermangel. „Wir haben Mangel an Lehrern, nicht an Stellen“, sagte sie. Gerade im sonderpädagogischen Bereich könnten nicht alle Stellen besetzt werden. Dabei bewertet sie Inklusion als wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Auch die Integration mit den Vorbereitungsklassen stelle eine Herausforderung dar. Langfristig soll das Fach Informatik an allen Schularten eingeführt werden.

Grün-Schwarz setze mit dem Bildungsetat die „richtigen und notwendigen Akzente“, sagte Karl-Wilhelm Röhm (CDU). Statt Stellenabbau gebe es ein Plus von 95 Stellen. Die CDU will die Grundschule stärken, da es wichtig sei, dass Kinder „richtig schreiben und lesen lernen“. Deshalb gebe es 160 Deputate für die dritten Klassen im neuen Schuljahr. 100 Deputate sind für die Ganztagsbetreuung vorgesehen. Ein weiterer Schwerpunkt seien die Realschulen, wo nach der Orientierungsstufe ab Klasse 7 leistungsdifferenziert unterrichtet werden soll. Die CDU trage den Ausbau der Gemeinschaftsschulen mit. Dort gebe es fünf neue Standorte. Zur Stärkung der Gymnasien will seine Fraktion demnächst Vorschläge vorlegen, kündigte Röhm an. Es gelte auch, die berufliche Bildung weiter zu stärken. Dort sei das Unterrichts-Defizit auf 1,7 Prozent gesunken.  „Wichtig ist auch der Ausbau der Bildungshäuser sowie der Kinder- und Familienzentren“, sagte der CDU-Bildungsexperte.  

SPD warnt vor vermehrtem Unterrichtsausfall  

„Die Bildungsutopien der Grünen brauchen viel Geld“, kritisierte Rainer Balzer die Politik. Die Gemeinschaftsschule sei gescheitert. Deshalb fordere die AfD den „Stopp der Fehlinvestitionen“; sie lehnt auch Stellenübertragungen von anderen Schularten auf die Gemeinschaftsschule ab. Ideologische Ziele würden Realschule und Gymnasien schwächen. Da die Praktiker in der derzeitigen Schulpolitik auf der Strecke blieben, forderte die AfD die Stärkung der beruflichen Schulen. Er nannte Bayern als Beispiel, wo 40 Prozent der Studierenden vom beruflichen Gymnasium kämen. Zudem hätten die „ständigen Reformen an der Lehrerausbildung“ den Beruf unattraktiv gemacht.  Balzer kritisierte auch, dass die Zahl der Referendare um 18 Prozent gesunken sei.

Stefan Fulst-Blei (SPD) befürchtete eine „Verschlechterung“ der Unterrichts-Situation und warnte vor steigendem Unterrichtsausfall. Mit der Streichung von 1074 Stellen habe Finanzministerium den Bildungsetat zum Steinbruch gemacht. Kultusministerin Eisenmann müsse sich entscheiden, ob im Südwesten Bildung „auf wissenschaftlicher Basis oder aus dem Bauch heraus“ erfolgen soll. Er forderte die Einführung von Informatik an allen Schularten.

Rülke: Klassenteiler für Gemeinschaftsschulen hochsetzen

Hans-Ulrich Rülke kritisierte die fehlende Transparenz des Kultushaushalts. Es sei nahezu unmöglich, von den Gesamtsummen in den Schulkapiteln auf die Lehrerversorgung der einzelnen Schule zu schließen. Das erinnere ein wenig an einen Blindflug im dichten Nebel. Er wiederholte die Forderung der FDP-Fraktion, den tatsächlichen Bedarf an Lehrerstellen erst einmal fundiert zu erheben und anschließend ein Konzept vorzulegen. Dabei müssten auch geplante Investitionen im Bildungsbereich einberechnet werden. Schließlich würden Ganztagsschulen, Inklusionsangebote und der Ausbau der Fächer Informatik sowie Ethik und islamischer Religionsunterricht eine entsprechende Ausstattung mit qualifizierten Lehrkräften erfordern. „Wir erwarten und fordern, dass sich das Kultusministerium nach dem für Mai angekündigten Rechnungshofbericht sogleich an ein Bedarfsdeckungskonzept für die Lehrerversorgung macht und dies rechtzeitig zu den Beratungen zum Haushalt 2018/19 vorlegt.“ Das sei dringend erforderlich, denn bereits zum Schuljahr 2017/18 plane die grün-schwarze Koalition 1074 Lehrerstellen abzubauen.

Rülke forderte als Sofortmaßnahmen, den Klassenteiler für die Gemeinschaftsschulen von 28 auf 29 Schüler heraufzusetzen und die frei werdenden Personalmittel auf alle Schulen zu verteilen.  Des Weiteren sollte zur verpflichtenden auch die offene Ganztagsschule ins Schulgesetz aufgenommen werden. Der Ausbau von Inklusionsangeboten soll nach dem Willen der FDP behutsamer vorgenommen werden.

„Mit ihrer selbst gewählten Bezeichnung ‚Komplementärkoalition‘ haben die Koalitionäre uns schon wissen lassen, dass sie vor allem ihr jeweiliges Eigeninteresse verfolgen wollen – und sei es auch nur auf Kosten des Landesinteresses. Also dürften die grün-schwarze Blockade und untaugliche Kompromisse auch weiterhin an der Tagesordnung im Bereich Bildung sein§, haderte Rülke.


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