Landtag debattiert über blaue Plakette und Fahrverbote

07.03.2018 
Von: schl
 
Redaktion
 

Stuttgart. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Luftreinhaltung und möglichen Fahrverboten in der vergangenen Woche hat an diesem Mittwoch zu einem Schlagabtausch im Landtag geführt. Jochen Haußmann (FDP) warf der Landesregierung vor, Autofahrer mit Euro-5-Dieselfahrzeugen „im Regen“ stehen zu lassen. „Wer leichtfertig von der blauen Plakette redet, muss wissen, dass alle diejenigen, die diese nicht bekommen, einem ganzjährigen Fahrverbot unterliegen", so Haußmann.

„Es rächt sich der Fehler, dass gegen das damalige Urteil des Verwaltungsgerichts nur Sprungrevision und nicht Berufung eingelegt wurde", sagte Haußmann. So konnten die Ergebnisse der Diesel-Gipfel wie das Milliardenprogramm zur Luftreinhaltung oder die freiwilligen Diesel-Updates, wie auch die sich schon verbessernde Immissionslage vom Bundesverwaltungsgericht nicht gewürdigt werden, so der FDP-Politiker. 

Die Landesregierung macht sich weiterhin für eine blaue Plakette stark. Ein Instrument, das die FDP ablehnt. Auch von SPD und AfD kam Kritik daran. Vertreter der drei Fraktionen sprachen davon, dass die Luft in Stuttgart seit Jahren besser werde. Vorschläge, wie die EU-Grenzwerte eingehalten werden sollen, blieben allerdings aus, wie Daniel Renkonen (Grünen) den Kollegen der anderen Fraktionen vorwarf.

Mit Plakettenregelung sollten alte Fahrzeuge ausgetauscht werden

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erinnerte daran, dass das Plakettensystem von der ersten Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt worden ist. Es war ein Konzept, den Schadstoffausstoß im Verkehr zu verringern und die Luft in den Städten sauberer zu bekommen. Der Ansatz der Plakettenregelung war von Anfang an: alte Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß werden aussortiert. Das sei auch der Grund für die Erfolge bei der Luftreinhaltung gewesen, so Hermann.

Er machte die Dimension am Beispiel der grünen Plakette deutlich: damals waren von den Einfahrverboten in die Umweltzonen 12 Prozent der PKW, 40 Prozent der leichten Nutzfahrzeuge und 49 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge betroffen. Eine blaue Plakette würde eine weitere Modernisierung der Flotten bedeuten, argumentierte er.Er kündigte an, dass aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nun der Luftreinhalteplan für Stuttgart fortgeschrieben werde und alle Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit geprüft würden. „Wir machen keine Fahrbeschränkungen, wenn wir die Grenzwerte einhalten“, stellte Hermann klar.

Minister: Rote Karte für Industrie und Bundesregierung

Die Rote Karte hätten Industrie und Bundesregierung verdient, so der Minister. Er machte deutlich, dass es keine Probleme bei der Luftreinhaltung gebe, wenn die Euro-5-Dieselfahrzeuge nicht im realen Betrieb ein Vielfaches an Stickstoffdioxiden ausstoßen würden verglichen mit den Angaben auf dem Papier. Der Bundesregierung warf er vor, nicht darauf reagiert zu haben.

„Wir brauchen intelligentere Lösungen als Fahrverbote“, forderte Jochen Haußmann (FDP). Seine Fraktion hatte die Debatte beantragt. Eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen sei notwendig. Auch müsse die Autoindustrie in die Pflicht genommen werden. Er warnte ebenso wie Rainer Balzer (AfD) und Martin Rivoir (SPD) vor massiven Wertverlusten bei Dieselfahrzeugen. Der Schaden sei bereits immens, so Balzer. Er warf der Landesregierung vor, dass es ihr nicht um das Einhalten von Grenzwerten gehe, sondern um die Einschränkung des Individualverkehrs. Rivoir bezeichnete den Diesel als eine Quelle „unseres Wohlstands“.

Urteil ist kein Automatismus für Fahrverbote

Das Urteil bedeute keinen Automatismus für Fahrverbote, machte Thomas Dörflinger (CDU) klar. Es sprach davon, zunächst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, etwa Busse und Taxen zu modernisieren, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, die Elektromobilität zu fördern. Auch intelligente Verkehrssysteme hätten Vorrang vor Verboten. Zugleich machte er deutlich, dass der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ein besonders hohes gut sei. Seine Fraktion habe den Ehrgeiz, diesen am Ende ohne Fahrverbote gerecht zu werden. Auch er sieht, ebenso wie Daniel Renkonen von den Grünen, nun die Industrie bei Nachrüstungen in der Pflicht.

Zugleich wies Dörflinger darauf hin, dass das Land nun auch ein Urteil umzusetzen habe. Dabei komme es vor allem auch auf das Wie an. Er sprach davon, zu prüfen, ob beispielsweise Fahrbeschränkungen an Alarmtagen ausreichen oder nur bestimmte Strecken für ältere Dieselfahrzeuge gesprerrt werden müssten. Eine blaue Plakette bezeichnete er als "ultima ratio" am Ende. Zugleich versprach er, dass seine Fraktion sich für weitreichende Ausnahmen einsetzen werde, „damit Fahrverbote nicht zu Berufsverboten werden“.

Renkonen kündigte an, dass sich seine Fraktion für die blaue Plakette als wirksamste Lösung einsetzen werde. Fahrbeschränkungen seien jedoch das letzte Mittel. Er sprach einen Ausbau von Carsharing, sauberen Güterverkehr im Stadtzentrum, inklusive Lastenfahrrädern, und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs an. Zugleich zeigte er sich überzeugt, dass die Zukunft in der Elektromobilität und nicht im Diesel liege. Er bezeichnete es auch als Trauerspiel, dass erst zum Jahresende ein Elektrobus eines deutschen Herstellers auf den Markt kommen soll. Derzeit kommen die meisten Elektrobusse von Solaris, einem polnischen Hersteller.


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Titelbild Staatsanzeiger