Mehrheit gegen direkte Demokratie nach Vorstellungen der AfD

06.06.2018 
Von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
 
Redaktion
 

Stuttgart. Mit ihrem Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie will die AfD-Fraktion im Landtag der Bevölkerung "ein Instrument zur Korrektur in die Hand geben“. Geplant sind, wie schon im Wahlprogramm versprochen, Volksentscheide nach Schweizer Vorbild. „Sie machen das Volk zum Stimmvieh“, kritisierte der Rottweiler Abgeordnete Emil Sänze die anderen Fraktionen. Nach der ersten Lesung wurde der Entwurf zu weiteren Beratungen an den ständigen Ausschuss überwiesen. Eine Chance auf eine Mehrheit hat der Vorstoß nicht.

Sänze stellt – trotz Stuttgart 21 und der Gründung des Südweststaats per Plebiszit - in Abrede, dass das Volk überhaupt je gefragt wurde. „Hätte das Volk bei der jeweils gültigen Landesverfassung überhaupt die Möglichkeit gehabt, mitzuwirken?“, fragte er. Und er warf von anderen vier Fraktionen mit ihrem Kompromiss zur Absenkung der Quoren aus der vergangenen Legislaturperiode vor, halbherzig gehandelt zu haben: „Sie wissen genau, dass es mit der jetzigen Landesverfassung keine Chance gibt, zu agieren. Und kommen Sie mir nicht damit, dass sei in einer repräsentativen Demokratie so.“

Vorwürfe die die Grünen-Abgeordnete Nese Erikli überhaupt nicht gelten lassen wollte. Der AfD gehe es „augenscheinlich gar nicht um Demokratiestärkung, sondern darum, auf dem billigsten Weg größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen“ und deshalb um „plumpe populistische Agitation“. Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) bestritt, dass der Gesetzentwurf zur Senkung der Hürden für Volksinitiativen und -entscheide die direkte Demokratie stärke. Vielmehr wolle die AfD „die Öffentlichkeit“ schwächen und „kleine Gruppen, Sonderinteressen und Verschwörungstheorien aller Art mobilisieren“. Die Staatsrätin sieht darin „die Vorstufe zu einem System, das auf die Vorbilder Ungarn und Polen setzt, auf ihren geschätzten Freund in Russland oder auf die Türkei“. Die AfD wolle nicht das Volk stärken, sondern „lautstarke Minderheiten, die sich für das Volk halten“. Erler bekam viel Applaus für ihre Rede - auch von CDU, SPD und FDP.

Stefan Scheffold (CDU) setzte sich mit verschiedenen Vorgaben der AfD im Details auseinander. Beim Volksbegehren seien bisher 10 000 Unterschriften nötig, „Sie schlagen eine Absenkung auf 8000 Unterschriften vor“, so Scheffold weiter. Und beim fakultativen Referendum seien sogar Elemente aufgenommen, wie sie in Thüringen vorgeschlagen seien: "Sie wollen eine Absenkung auf ein Prozent und 80 000 Unterschriften erreichen und dass zehn Prozent der Gemeinden ein solches Referendum zur Einleitung bringen können." Das sei aber, "das sollten Sie mittlerweile auch aufgenommen haben, schlicht unmöglich". Die Gemeinden hätten keine Stimmberechtigung, sollten deswegen auch nicht über die Möglichkeit eines Referendums abstimmen können und die kommunalen Landesverbände seien ohnehin gegen den Vorstoß.

Daran erinnerte auch Sascha Binder (SPD). Außerdem zeigte er sich verwundert, über Sänzes Rückblick. "Wir haben doch schon Volksabstimmungen gehabt', so der Fraktionsvize. Er erinnerte an die Abstimmung über den Südweststaat - „und es wurde über Stuttgart 21 abgestimmt". Außerdem rügte der Sozialdemokrat den Volksbegriff der AfD: "Wir alle sind das von Ihnen beschworene ganze Volk." Demokratie werde durch Mehrheiten bestimmt, in einer Demokratie bestimmten Mehrheiten Gesetze und veränderten Verfassungen, aber nicht Minderheiten. Die AfD müsse nicht andere Wege suchen "nur, weil sie für ihre Auffassungen keine Mehrheiten bekommt“, sagte Binder.


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