Streit über Vorgehen im Untersuchungsausschuss zur Verwaltungshochschule Ludwigsburg

13.07.2018 
Von: schl
 
Redaktion
 
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Stuttgart. „Wir sind am Tiefpunkt des Untersuchungsausschusses angekommen“, sagt der Obmann der SPD-Fraktion im U-Ausschuss „Zulagen Ludwigsburg“, Sascha Binder. Hintergrund ist eine Entscheidung der Ausschussmitglieder von Grünen und CDU, Inhalte der nicht-öffentlichen Sitzung vom Morgen öffentlich zu machen. Eine Entscheidung die gegen die Stimmen der Opposition und der Ausschussvorsitzenden Sabine Kurtz (CDU) fiel.

Die vom Untersuchungsausschuss eingesetzte Ermittlungsbeauftragte, die ehemalige Richterin Heike Haseloff-Grupp hatte an diesem Freitag einen mündlichen Zwischenbericht in nichtöffentlicher Sitzung gegeben. Sie geht der aktuellen Situation an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen nach. Sie hatte nach Aussagen der Obleute einerseits festgestellt, dass sich Hochschule insgesamt wieder auf einem guten Weg befindet. Zugleich soll sie nach Gesprächen mit Professoren auch den Eindruck gewonnen haben, dass die frühere Rektorin Claudia Stöckle „dort wohl an der falschen Stelle war“, so Binder.

Er wies zugleich darauf hin, dass die Ermittlungsbeauftragte mit Professoren gesprochen hatte, die sich zuvor bereits gegen Stöckle positioniert hatten, da sie Zulagenempfänger oder Resolutionsunterzeichner waren oder denen Stöckle, etwa durch Beendigung des von ihnen betriebenen Buchhandels innerhalb der Hochschule, auf die Füße getreten war. Stöckle hatte auch die rechtswidrigen Zulagen an der Hochschule aufgedeckt, mit denen sich nun der Untersuchungsausschuss befasst.

Ausschussvorsitzende stimmte gegen den Antrag der Regierungsfraktionen

Binder unterstellte den Grünen, sie hätten die Einschätzung der Ermittlungsbeauftragten über Stöckle öffentlich machen wollen. Allerdings hatte der Grünen-Obmann Thomas Hentschel diese Aussage öffentlich nicht angesprochen.  Dennoch sorgte der Antrag der Grünen, aus der nicht-öffentlichen Sitzung zu berichten, für heftige Diskussionen. „Wir stellen besorgt fest, dass die Regierungsfraktionen, insbesondere die Grünen, im Bemühen das Versagen der Ministerin Bauer zu kaschieren, keine Rücksicht auf das Ansehen von Mitarbeitern nehmen“, sagte Rainer Podeswa (AfD).  Die Ermittlungsbeauftragte habe ihren Zwischenbericht unter der Voraussetzung der Nichtöffentlichkeit getätigt, machte auch Nico Weinmann, Obmann der FDP-Fraktion, deutlich. Er warf den Grünen vor, die Nichtöffentlichkeit missbraucht zu haben, um politisch zu punkten. Er sprach von einer Diskreditierung der Ermittlungsbeauftragten, die ihre Aussage im Vertrauen auf die Nicht-Öffentlichkeit gemacht habe. Die Vertraulichkeit sei insbesondere bei einem Untersuchungsausschuss ein sehr hohes Gut, so Weinmann.

Auch die Ausschussvorsitzende Sabine Kurtz hatte sich im Gegensatz zu den übrigen Ausschussmitgliedern der CDU gegen den Grünen-Antrag gestellt. Sie hielt es für problematisch, die Aussagen der Ermittlungsbeauftragen öffentlich zu machen. Das habe auch etwas mit Verlässlichkeit gegenüber der Ermittlungsbeauftragten zu tun, die selbst nicht mit der Presse sprechen könne, so Kurtz. Sie hatte die Ermittlungsbeauftragte nach der Entscheidung des Ausschusses entsprechend informiert.

Hentschel: Auch bisher ohne Antrag aus nicht-öffentlichen Sitzungen berichtet

Marion Gentges, Obfrau der CDU-Fraktion, wies darauf hin, dass die Gespräche der Ermittlungsbeauftragten an der Hochschule noch nicht abgeschlossen seien. Deshalb wollte sie sich nicht weiter zur Aussage in der nicht-öffentlichen Sitzung äußern. Allerdings freute sie sich, ebenso wie die Obleute der übrigen Fraktionen, dass die Hochschule wieder auf einem guten Kurs sei.

Hentschel hingegen konnte die Aufregung über den Grünen-Antrag nicht nachvollziehen. Es sei bemerkenswert, dass ihm eine entsprechende Motivation unterstellt werde. Bisher sei häufig ohne Antrag und Beschluss aus nicht-öffentlichen Sitzungen berichtet worden, auch bei Aussagen von Ministerin Theresia Bauer (Grüne). SPD und FDP warf er vor, die Neutralität der Ermittlungsbeauftragten in Frage zu stellen. Er sähe dazu bisher einen Anlass.

Es stelle sich jedoch die Frage, welche Rolle das damalige SPD-geführte Wirtschafts- und Finanzministerium, bei der Zulagenthematik gespielt habe. Schließlich unterstehe das Landesamt für Besoldung und Versorgung, das den Begriff der Leistungszulagen aufgebracht habe, dem Finanzministerium. Auch stelle sich die Frage, warum das Wissenschaftsministerium den Wechsel der 13 Professoren von der C- in die W-Besoldung als nichtig angesehen habe, das Finanzministerium und das LBV die Fälle jedoch bei der großen Besprechung im Finanzministerium nur als rechtswidrig. Zuvor hatte der Ausschuss einen Mitarbeiter des Finanzministeriums als Zeugen angehört, der Teilnehmer der im Ausschuss „Elefantenrunde“ genannten Gesprächs war, bei dem Fachleute von Wissenschaftsministerium, LBV, Finanzministerium mit der Hochschule über die rechtlichen Fragen der Zulagen und das mögliche weitere Vorgehen im Februar 2013 gesprochen hatten.

Frühere Amtschefin: kein Zusammenhang zwischen Zulagen und Hochschulkrise

Die Ausschussvorsitzende Kurtz wies darüber hinaus darauf hin, dass der Landtag an erster Stelle ein Instrument der Kontrolle der Regierung ist. Der Untersuchungsausschuss sei nicht zur Selbstbeschäftigung oder zum Kleinkrieg untereinander da. Vielmehr gebe es einen klaren demokratischen Auftrag, den es ernst zu nehmen gelte.

An diesem Freitag wurde auch die ehemalige Amtschefin des Wissenschaftsministeriums, Simone Schwanitz, als Zeugin befragt. Sie sagte, dass aus Sicht des Ministeriums die Frage der Zulagen Ende 2013 geklärt war. Man sei davon ausgegangen, dass alle Fälle umgedeutet werden konnten. Daher habe sich auch ein Disziplinarverfahren gegen den Altrektor, der die Zulagen gewährt hatte, erledigt. Vor der Resolution der Fakultätsvorstände, die sich gegen die damalige Rektorin Stöckle wandte und die die Hochschulkrise auslöste, habe sie keine Kenntnis von Problemen an der Hochschule gehabt. Für Schwanitz gab es auch keinen Zusammenhang zwischen den Zulagen und der Hochschulkrise. Diese habe das Ministerium gelöst. Ziel sei gewesen, die Funktionsfähigkeit der Hochschule wieder herzustellen.

Staatsanwalt verwundert, dass Ministerium Richtlinien nicht geprüft hat

Am Ende des Tages berichtete der Staatsanwalt noch über die Ermittlungen die letztendlich zur Anklage gegen den ehemaligen Rektor, den ehemaligen Kanzler, die für die Vergabe der rechtwidrigen Zulagen verantwortlich waren, und 13 Professoren wegen Untreue und Beihilfe dazu führten. Diese Anklage hatte auch dazu geführt, dass SPD und FDP den Untersuchungsausschuss im Landtag beantragt hatten. Erstmals war die Staatsanwaltschaft aufgrund der Anzeige eines Professors gegen Stöckle tätig geworden. Ihr war Korruption vorgeworfen worden. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Ermittlungen bestätigten die Vorwürfe nicht.

Etwas später leitete die Staatsanwaltschaft nach Presseberichten über möglicherweise rechtswidrige Berufungsleistungsbezüge  gegen den ehemaligen Rektor ein. Anfang  Januar 2016 gab es auch einen hinreichenden Verdacht gegen den früheren Kanzler. Er war für den Haushalt der Hochschule verantwortlich und hatte die entsprechenden Kassenanweisungen an das Landesamt für Besoldung unterschrieben, so der Staatsanwalt. Zudem dränge sich ein Anfangsverdacht auf, dass die 13 Professoren, die von der C- in die W-Besoldung mit entsprechenden Zulagen gewechselt hatten, von der Rechtswidrigkeit der Zulagen wussten und sich an der Gewährung beteiligt hatten.  Im Januar 2017 erhob die Staatsanwaltschaft dann Anklage. Seitdem ist das Verfahren anhängig.

Der Staatsanwalt machte auch deutlich, dass die Rektoren im Rahmen der Hochschulreform seit 2005 deutlich mehr Macht haben als früher. Denn sie entscheiden über Zulagen und deren Höhe. Nach Änderung der Besoldungsordnung verpflichtete ein Landesgesetz die Hochschulen dazu, Vergaberichtlinien zu erlassen, nach denen Leistungszulagen in Hochschulautonomie vergeben werden. Der Staatsanwalt zeigte sich jedoch verwundert, dass das Ministerium nicht geprüft hat, ob diese Vergaberichtlinien den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Das sehe er als Rechtsaufsicht des Ministeriums, so der Staatsanwalt. Dass die Richtlinie, die der ehemalige Rektor an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg erlassen habe, den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprochen habe, sei eindeutig gewesen. Um das zu erkennen, müsse man kein Verwaltungsjurist sein.  Auffällig sei auch gewesen, dass man die Rektorin Stöckle bei der Aufarbeitung der Zulagenproblematik allein gelassen habe. Auf Nachfrage erklärte er auch, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass im Ministerium Mitarbeiter mit der Thematik befasst gewesen seien, die kurz vor dem Ruhestand standen und in Ruhe gelassen werden wollten.

Er macht auch deutlich, dass er als Staatsanwalt, wenn ihm die Gutachten zur Rechtswidrigkeit der  Zulagen bekannt gewesen wären, er damals bereits einen Anfangsverdacht bejaht hätte. Zugleich räumte er ein, dass die Aufgabe eines Juristen im Ministerium eine andere ist. Für die Juristen dort sei wichtig gewesen, ob die Zulagenproblematik noch in einen rechtmäßigen Zustand überführt werden konnte oder nicht. Das Ministerium habe auch die Aufgabe, das Personal zu schützen. Denn das Einschalten der Staatsanwaltschat habe für die betroffenen Personen stets gravierende  Folgen. Wenn sich nach ein oder zwei Jahren herausstellen sollte, dass die Person unschuldig ist, dann sei der Ruf bereits geschädigt. „Für jemanden, der zu Unrecht mit einem Ermittlungsverfahren überzogen wurde, ist das eine lebenseinschneidende Erfahrung“, so der Staatsanwalt.

Er wurde auch nach der Rolle des Landesamts für Besoldung gefragt. Ein Mitarbeiter hatte in einer E-Mail von Berufungsleistungsbezügen gesprochen. Nur wegen dieser E-Mail waren die Professoren nach eigenen Angaben darauf gekommen, diese zu beantragen. Es sei jedoch auch eindeutig gewesen, dass das LBV etwas anderes beantwortet habe, als angefragt. Es war nämlich in der Anfrage um die Ruhegehaltsfähigkeit der Bezüge gegangen. Auch sei klar gewesen, dass das LBV nur Zahlstelle ist und nicht über Zulagen entscheidet. Es sei ein Fehler des Beamten gewesen, doch eine Verantwortlichkeit des LBV konnte der Staatsanwalt nicht erkennen.


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